Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin fordert seine Amtsnachfolgerin Svenja Schulze zu einer konsequenten Mehrwegpolitik auf. Städte und Gemeinden müssten jetzt verbindliche Schritte einleiten, so Trittin zusammen mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer sowie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) auf der heute online stattgefundenen ersten „Deutschen Mehrweg-Konferenz“. Zu den notwendigen Maßnahmen zählten ein Abfallvermeidungsziel, Mehrwegquoten, Einwegabgaben, eine steuerliche Besserstellung von Mehrweg sowie eine grüne öffentliche Beschaffung. Nur so ließen sich das immer größer werdende Problem von zu viel Einwegmüll lösen und konsequenter Klimaschutz umsetzen.
„Im Verpackungsgesetz haben wir für Mehrweg eine Zielquote von 70 Prozent. Aber Umweltministerin Svenja Schulze unternimmt nichts, damit diese Quote von der Wirtschaft auch umgesetzt wird“, sagt Trittin. Das Ergebnis sei ein Rekordtief der Mehrwegquote bei nur noch 41 Prozent. Es fehle derzeit der politische Wille, die Mehrwegquote gegen den Willen einwegorientierter Discounter und international agierender Konzerne durchzusetzen. „Wir brauchen einen wirksamen Schutz für Mehrweg. Und den gibt es nur mit einer Einwegabgabe neben dem Pfand“, so der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und ehemalige Umweltminister.
Verpackungsverbrauch enorm gestiegen
Tatsache ist: Die Menge an Verpackungsmüll steigt seit Jahren. Das Umweltbundesamt meldet heute für das Jahr 2018 mit 18,9 Millionen Tonnen einen neuen Rekordwert. Seit 2010 sei der Verpackungsverbrauch um 17,9 Prozent gestiegen. Gleichzeitig seien nur rund 47 Prozent der Plastikverpackungen tatsächlich recycelt worden, heißt es. „Wenn wir Umwelt-, Ressourcen- und Klimaschutz ernst nehmen, dann brauchen wir einen Übergang von einer verschwenderischen linearen Wirtschaft zu einer echten Kreislaufwirtschaft“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Diesen Übergang müsse Umweltministerin Schulze vorantreiben. „Deshalb fordern wir verbindliche Mehrwegquoten für Verkaufs-, Lebensmittel- und Transportverpackungen“, so Resch.
Abfallvermeidung wirtschaftlich belohnen
Um wirtschaftliche Anreize für Mehrweg zu verstärken, müsse es eine steuerliche Besserstellung im Vergleich zu Einweg geben. Die absurde Situation, dass zum Beispiel Mehrweggeschirr bei Essen auf Rädern mit dem vollen Mehrwertsteuersatz besteuert werde, Einweg hingegen mit dem erniedrigten, müsse sich umdrehen, erklärt Resch. Für Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer muss sich Abfallvermeidung und Wiederverwendung auch wirtschaftlich lohnen, „sonst macht kaum jemand mit.“ In Tübingen würden Gastronomen bei einem Mehrwegumstieg einen finanziellen Zuschuss von bis zu 75 Prozent erhalten. Durch eine kommunale Verbrauchssteuer auf alle Einweg-to-go-Verpackungen werde Tübingen ab 2022 den notwendigen finanziellen Anreiz für den Umstieg auf Mehrweg setzen, so Palmer.