Die deutsche Brauwirtschaft diskutiert wieder über höhere Pfandsätze. Auslöser der Debatte war der Vorstoß von Sebastian Priller, Inhaber der Augsburger Brauerei Riegele, der zehn Euro Pfand (statt 3,10 Euro) für einen Kasten Bier fordert. Darüber berichtete zuerst die „Augsburger Allgemeine“. Bereits im Sommer 2019 drohte Georg Rittmayer, Präsident des Verbands Private Brauereien Bayern, gemeinsam mit 40 anderen bayerischen Brauern das Pfand für eine Bierkiste auf sechs Euro zu erhöhen.
Der Grund für die erneute Forderung nach höheren Mehrweg-Pfandsätzen ist der gestiegene Preis für Kästen und Neuglas. Laut Prillers Rechnung verlieren die Brauer bei dem aktuellen Pfandsatz von 8 Cent an jeder nicht zurückgegebenen Flasche bis zu 24 Cent. „Diese Kosten führen entweder dazu, dass Hersteller aus dem Markt verschwinden oder dass die Preise weiter erhöht werden müssen“, sagt Priller auf Nachfrage von Getränke News. Er fordert deshalb einen Flaschen-Pfandsatz in Höhe des Wiederbeschaffungswertes.
Kosten verteilen sich auf Abfüllvorgänge
Auf den ersten Blick scheint Prillers Argumentation schlüssig. Allerdings nur für Flaschen, die nach einmaligem Befüllen nicht mehr zurück in die Brauerei kommen. Unter dem Strich gehen jedoch im Mehrweg-Kreislauf nur relativ wenige Flaschen verloren. Die meisten werden zurückgegeben und wieder befüllt. In der Regel zwischen 30 und 50 Mal. Auf entsprechend viele Abfüllvorgänge verteilen sich die ursprünglichen Anschaffungskosten einer Flasche.
Die Diskussion zur Anpassung der Pfandsätze scheint vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen Flaschen- und Kastenpreise dennoch sinnvoll. Doch wie sollte eine Pfandumstellung erfolgen? Priller schlägt vor, an einem Stichtag das Pfand pro Kiste auf zehn Euro bzw. pro Flasche auf 25 Cent zu erhöhen. Für den Endverbraucher wäre die Pfanderhöhung irrelevant, da er in den allermeisten Fällen wieder einen vollen Kasten mitnimmt, für den er die zehn Euro zahlt, erklärt Priller.
Veltins-Generalbevollmächtigter Michael Huber hält dagegen: „Den treuen Verbraucher gerade in diesen konsumbelasteten Zeiten durch sprunghafte Pfandsatzerhöhungen zu überfordern, ist der falsche Weg all jener Anbieter, die sich auf Kosten der Privathaushalte schnelle Liquidität verschaffen möchten.“. Das stabile Pfandsystem sei eine Langfrist-Investition in die Nachhaltigkeit. „Angesichts der langen Laufzeiten von Kästen und Flaschen, die durchaus bei 15 Jahren und mehr liegen können, ist eine 1:1-Gleichung von Beschaffungswert und Pfandwert zu kurz gedacht und wenig alltagstauglich“, erklärt Huber. Auch deshalb seien Initiativen in der Vergangenheit gescheitert.
Pfandbeträge in dreistelliger Millionenhöhe
Auch eine Stichtagslösung hält Huber für nicht umsetzbar. Immerhin seien je nach Jahreszeit zwischen 85 und 98 Prozent der Mehrweggebinde nicht auf dem Brauereihof, sondern im Markt unterwegs. Entweder stünden die vollen Kästen im Getränkemarkt oder warteten zu alten Pfandsätzen rückgabebereit in der Garage des Verbrauchers. „Im Klartext stehen bei einer Stichtagslösung für die Brauwirtschaft Pfandbeträge in dreistelliger Millionenhöhe im Feuer, weil dann zurückkehrende Mehrwegkästen von Brauereien zu neuen Pfandsätzen vergütet werden müssen“, sagt Huber. Nach Branchenschätzungen sind allein in der deutschen Brauwirtschaft aktuell bis zu vier Milliarden Mehrweg-Flaschen und mehr als 200 Millionen Mehrweg-Bierkästen im Umlauf.
Torsten Hiller, Geschäftsführer von Logipack, einem Dienstleister entlang der Mehrweg-Lieferkette, kritisiert die Höhe von Prillers geforderten Pfandsätzen. „Als Grundsatz gilt weiterhin, das Pfand muss deutlich unter dem Wiederbeschaffungspreis der Flaschen liegen“, so Hiller. Läge das Flaschenpfand beispielsweise bei 15 Cent und der Neupreis der Flasche bei 17 Cent, bestünde die Gefahr, dass sich die Getränkehersteller lieber neue Flasche kauften, als die genutzte Flasche im Mehrwegprozess zurückzuholen, erklärt Hiller. „Damit das Mehrwegsystem funktioniert, darf die Differenz von Pfand und Flaschenpreis nicht zu gering sein, da die Flaschenpools sonst ,überlaufen‘.“ Das Argument hält Sebastian Priller für falsch, da ein Brauer immer seine Kästen und damit auch seine Flaschen zurückbekomme. „Diese auszusortieren ist Irrsinn.“ Und selbst wenn es so wäre, würden die Preise für gebrauchte Flaschen sinken, erklärt Priller.
Pfandsätze auf Kästen zu niedrig
Die Pfandsätze auf die Kästen hält auch Torsten Hiller für zu niedrig. Eine Bierkiste koste die Brauerei heute zwischen 4,50 und 7 Euro im Einkauf. Das Pfand liege aber nur bei 1,50 Euro. „Viele Kisten regionaler Hersteller, die in Ferngebiete liefern, kommen aufgrund der geringen Pfandwerte nicht zurück“, sagt Hiller. Für die Logistiker seien die Kosten für den Rücktransport und das Handling dieser geringen Mengen zu hoch und der Pfandersatz zu gering.
Als weiteres Argument für höhere Pfandsätze nennen manche Brauereien eine schnellere Rückgabe des Leerguts. „Ein höherer Pfandpreis würde dafür sorgen, dass es sich wieder ,lohnt‘, das Leergut zurückzubringen. Besonders in den Sommermonaten würde dies zu einem schnelleren Rücklauf des Leerguts führen und die angespannte Leergutsituation entlasten“, erklärt Stefan Stang, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Private Brauereien Bayern. Es sei jedoch völlig offen, ob sich diese Erwartung wirklich erfüllen würde.
Keine schnellere Rückgabe des Leerguts erwartet
Eine vom Deutschen Brauer-Bund (DBB) in Auftrag gegebene INSA-Umfrage zeigt, dass keine schnellere Rückgabe des Leergutes zu erwarten wäre: Der Großteil (76 Prozent) der deutschen Verbraucher kauft Getränke in Mehrwegflaschen bzw. -kästen. Fast die Hälfte der Mehrwegnutzer (47 Prozent) bringt Pfandflaschen und Kästen innerhalb einer Woche zum Händler zurück, weitere 47 Prozent innerhalb eines Monats. Lediglich 22 Prozent der Befragten gaben an, sie würden Leergut schneller zurückbringen, wenn der Pfandsatz darauf deutlich erhöht würde. Eine Mehrheit von 65 Prozent würde jedoch nichts an ihrem Verhalten bei der Rückgabe von Leergut ändern. 13 Prozent gaben an, nicht zu wissen, wie sie auf ein erhöhtes Pfand reagieren würden.
Der Deutsche Brauer-Bund und der Verband Private Brauereien haben inzwischen eine interne Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit der Pfanderhöhung befasst. „Wir führen die Diskussion ergebnisoffen“, betont Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des DBB. Schon jetzt stehe aber fest: Eine Pfandsatzerhöhung wäre nur sehr schwierig umzusetzen, extrem kostenintensiv für die Brauereien und wäre auch nur umsetzbar, wenn alle mitziehen würden – alle Getränkehersteller und -abfüller, vor allem aber auch der Handel und die Verbraucher, so Eichele.
Pfanderhöhung nur zum Stichtag möglich
„Klar ist: Eine Kennzeichnung zur Unterscheidung von Flaschen und Kästen mit altem und neuem Pfand ist technisch nicht möglich. Deshalb könnte eine Pfanderhöhung nur mit einem Stichtag umgesetzt werden“, erklärt Eichele. Dies erhöhe die Kosten und die Risiken für die Brauereien enorm, weshalb der Brauer-Bund das Szenario einer Pfanderhöhung nach wie vor sehr skeptisch und kritisch betrachten müsse. „Schon eine Erhöhung des Pfandsatzes von derzeit 8 auf künftig 15 Cent würde bei vier Milliarden Mehrweg-Bierflaschen im deutschen Markt bei den Brauereien zu einem Aufwand von insgesamt 280 Millionen Euro führen. Bei künftig 25 Cent wären es sogar 680 Millionen Euro“, betont Eichele.
Die Antwort auf die Frage, inwieweit dieser Aufwand in den Folgejahren durch den höheren Pfandwert kompensiert werden könne, werde von Brauerei zu Brauerei sehr unterschiedlich ausfallen. In der Diskussion werde leider auch oft außer Acht gelassen, dass sich höhere Pfandsätze bilanziell auswirken, so Eichele. „Nach den infolge Corona- und Energiekrise geschmolzenen Kapitaldecken können viele Betriebe eine solche Belastung nicht stemmen, gerade für kleine und mittelständische Brauereien besteht deshalb akut die Gefahr der Überschuldung.“
Mehrwegsystem in Gefahr?
Für Sebastian Priller sind höhere Pfandsätze für die Rettung des Mehrwegsystems elementar. Wenn keine allgemeine Pfanderhöhung komme, würde entweder jeder Brauer für sich erhöhen, was zumindest bei den Kästen möglich wäre, oder die Brauer stellten auf eine Individualflasche um, die sie dann mit höheren Pfandsätzen belegen könnten. Oder aber die höheren Kosten würden umgelegt und Mehrweg würde überproportional teuer werden. In jedem Fall wäre laut Priller das Mehrwegsystem geschwächt.
Der Deutsche Brauer-Bund hält fest, dass die Situation beim Mehrweg-Leergut komplexer ist als viele ahnen und es deshalb keine einfachen Antworten und keine einfachen und schnellen Lösungen gebe. „Unser wichtigstes Ziel ist es, das weltweit einmalige Mehrwegsystem in Deutschland zu erhalten, zu stärken und fortzuentwickeln“, sagt Eichele. Es gebe ein paar Abfüller, die vergleichsweise viel Leergut an Wettbewerber verlieren und deshalb über die Medien maximal hohe Pfandsätze einfordern. „Aber Pfand-Populismus hilft uns nicht weiter. Wer als Unternehmer ein künftiges Kastenpfand von zehn Euro ausruft, hat den Bezug zur Realität verloren“, so Eichele.