Preissenkungen beim Fruchtsaft im Discount machen der Branche zu schaffen: Zu Monatsbeginn meldeten Aldi und Lidl dauerhaft niedrigere Preise über weite Teile des Sortiments. Dabei müsste Saft wegen der enorm gestiegenen Kosten eher noch teurer verkauft werden: Wie der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF) kürzlich meldete, hat sich der Preis für Orangensaftkonzentrat in den letzten zwei Jahren mehr als verdreifacht. Grund dafür ist eine durch den Klimawandel bedingte Verknappung von Rohwaren.
Zwar sieht VdF-Geschäftsführer Klaus Heitlinger derzeit bei der Beschaffung „erste Anzeichen einer Entspannung bei einzelnen Fruchtarten“, betont aber auf Anfrage von Getränke News zugleich, bei Orangensaft sei angesichts der momentanen Kostenstruktur „ein Endverbraucherpreis von unter drei Euro pro Liter nicht ausreichend, um die in der Prozesskette enthaltenen Kosten zu decken“. Zweifelsfrei bewegen sich diese weiterhin auf einem historisch hohen Niveau.
Marken werden nicht nachziehen können
Dass Aldi und Lidl dennoch ihre Preise für Orangensaft von bislang schon unrentablen 2,39 Euro dauerhaft um gut acht Prozent auf 2,19 Euro senken, ist nach Heitlingers Einschätzung nur durch Margenverzicht zu erklären. Deshalb rechne er auch nicht damit, dass die Markenartikler nachziehen werden. „Die Preise werden üblicherweise in Jahreskontrakten festgelegt, der Einstandspreis hat sich also nicht geändert“, so der Verbandschef.
Im Ringen um auskömmliche Preise können die Hersteller freilich auch nicht mit Unterstützung aus dem traditionellen LEH rechnen. Auf Anfrage unterstreicht etwa Thomas Bonrath, Pressesprecher der Rewe Group, die „Grundauffassung“, den Kunden grundsätzlich stets wettbewerbsfähige Preise zu bieten. „Auch in der Fruchtsaftkategorie haben wir Artikel, die sich preislich immer auf Discountniveau bewegen und Marktentwicklungen entsprechend berücksichtigen.“
Fruchtsaft gehörte 2024 zu den AfG-Kategorien mit den größten Verlusten. Laut VdF sank der Pro-Kopf-Verbrauch um 7,7 Prozent auf 24 Liter und damit den niedrigsten Wert seit Jahrzehnten. Für die Safter wird die Luft voraussichtlich noch dünner, der Verband geht davon aus, „dass 100-Prozent-Fruchtsäfte noch etwas an Markt verlieren“, wie Verbandschef Heitlinger prognostiziert. Gleichzeitig werde der Anteil anderer fruchthaltiger Getränke weiter zunehmen. Über Erfolge in solchen Kategorien und ihre Pläne für die nähere Zukunft zeigen sich allerdings die Hersteller derzeit eher verschlossen; so blieben entsprechende Anfragen an die beiden führenden Unternehmen Eckes-Granini und Valensina unbeantwortet.
Reduzierter Saftgehalt in der Kritik
Die Richtung haben sie allerdings bereits in den letzten Jahren vorgegeben – mit zahlreichen Neueinführungen in Segmenten abseits vom klassischen Saft: Von Schorlen und Limonaden, über Fruchtsaftgetränke bis zu Gesundheits-Shots, Energydrinks und Eistee decken sie inzwischen praktisch alle denkbaren Segmente ab. Viele Neuheiten haben dabei eines gemeinsam: Sie sparen an Saft, um den Preis zu drücken, verkaufen den niedrigeren Gehalt aber als Vorteil – oft mit dem Argument, man wolle den – freilich tatsächlich bestehenden – Trend zu weniger Zucker und zu einer bewussten Ernährung bedienen.
Marktführer Eckes-Granini zog mit dieser Strategie aber auch Kritik auf sich. So rechneten Verbraucherschützer im vergangenen Jahr vor, dass das Produkt „Hohes C Leichte Orange“ mit 60 Prozent Fruchtanteil rechnerisch über 40 Prozent mehr koste als der 100-Prozent-Saft. Noch stärker gingen sie mit „Granini Trinkgenuss Orange“ ins Gericht, der in einer Umfrage der Verbraucherzentrale Hamburg nach einer Anpassung der Rezeptur zur „Mogelpackung des Jahres“ gekürt wurde.
Eckes-Granini habe – bei gleichbleibendem Preis – „den Anteil an Orangensaft pro Flasche halbiert und das Getränk mit Zuckerwasser gestreckt“, hieß es zur Begründung. Dass die Banderole mit dem alten Hinweis „100 Prozent Fruchtsaft“ von der Flasche entfernt wurde, reichte den Kritikern als Hinweis nicht aus. Für Eckes-Granini ging die Rechnung offenbar dennoch auf: Da Konsumenten in diesen Zeiten preisbewusster shoppen, verkaufen sich die Produkte aller Kritik zum Trotz dem Vernehmen nach „ordentlich“.
Weniger Menge zum gleichen Preis
Anders ging Valensina mit dem Problem um: Der Hersteller setzte bei seinen Sorten „Orange“ und „Milde Orange“ weiterhin auf 100 Prozent Saftgehalt, stellte aber bei stabilem Preis die Flaschengröße von 1,0 auf 0,7 Liter um. Dabei bemühte man sich aber ausdrücklich um Transparenz: Die neue Flaschengröße und damit faktische Preiserhöhung wurde auf den Etiketten deutlich kommuniziert, und auf der Rückseite erklärten Texte und Abbildungen die Gründe.
Das Management verband dabei die Änderung auch mit der Hoffnung, dass Verbraucher erkennen, „dass Orangensaft zu einem sehr kostbaren Gut geworden ist, das man umso bewusster genießen sollte“. Doch auch ein günstigeres Angebot soll es künftig geben: Preissensiblere Verbraucher verwies das Unternehmen auf den zeitgleich eingeführten Orangennektar in der Literflasche.
Parallel dazu baut Valensina sein Angebot abseits vom klassischen Saft unter Hochdruck aus und berichtet auch öffentlich darüber. Man wolle sich „von der Saftmarke zur Getränkemarke mit besonderer Fruchtkompetenz“ entwickeln, teilte das Unternehmen im Frühjahr mit. Es präsentiere sich „ein neuer AfG-Allrounder“, hieß es wörtlich. Damit begibt sich Valensina auf einen Weg, den Wettbewerber Eckes-Granini schon vor einigen Jahren eingeschlagen hat – etwa mit Produkten wie Granini Limo, Hohes C Super-Shots oder der Schorlen-Linie Granini Fresh.
Viele andere Strategien werden der Branche wohl auch kaum bleiben. Der Klimawandel wird künftig eher für noch stärkere Schwankungen bei den Rohwaren sorgen, und auch die langfristigen Trends sprechen nicht wirklich für eine Konzentration allein auf Saft: Seit 25 Jahren kennt der Konsum nur noch eine Richtung: abwärts. 2024 erreichte er mit 24 Litern einen weiteren Tiefststand. Die gut 40 Liter vom Jahr 2000 wird der Markt wohl niemals mehr erreichen können.