Craftbier, Hard Seltzer, Eistee: Wenn sich in der Getränkebranche Trends andeuten, sind sie nicht fern: Start-ups, die ihr Glück mit einer eigenen Produktentwicklung versuchen und auf den großen Durchbruch hoffen. Unzählige steigen in den Markt ein, viele verschwinden aber auch schnell wieder von der Bildfläche. Mangelnde Kenntnis der Materie ist oft der Grund. Oder die Neuheit trifft nicht den Geschmack der Zielgruppen. Oder sie ist nicht so originell, wie ihr Erfinder glaubt. Oder der Markt ist schon so übersättigt, dass die Innovation einfach nicht mehr wahrgenommen wird. Oder, oder … Gründe fürs Scheitern sind zahllos.
Doch ab und zu gibt es auch Geschichten, die wirklich vielversprechend klingen und die es wert sind, erzählt zu werden. Von Marken, die so authentisch sind, dass kein Marketing der Welt sie sich hätte besser ausdenken können. Wie die von „Meiner Mött’s Erfrischung“ der Familie Mansfeld aus Leipzig – mit Vater Torsten, Mutter Katerina und Tochter Sophia, die – damals noch Teenager – die Idee hatte, das alte Familienrezept einer Limonade, die geschmacklich aus der Masse heraussticht, auch anderen schmackhaft zu machen.
Nach drei Jahren intensiver Vorbereitung kam die „Mött’s“ 2017 erstmals auf den Markt. Geschmacklich nicht so süß, eher kräutrig-erdig, und mit einem Design im modernen Retro-Style richtet sie sich eher an erwachsene Konsumenten – für den Pur-Genuss oder auch als Filler in Longdrinks. „Wir hatten einen guten Start und konnten 2019 bereits rund 250.000 Flaschen abfüllen“, berichtet Torsten Mansfeld, der sich in dem kleinen Familienunternehmen um den Vertrieb kümmert. Doch dann kam die Corona-Pandemie und hätte beinahe alle Träume zunichte gemacht. „Die Nachfrage in der Gastronomie war schon groß, aber die Stückzahlen im Handel waren noch viel zu gering, um die Ausfälle der Lockdowns zu kompensieren“, erzählt Mansfeld. Im Herbst 2020 war der Tiefpunkt erreicht – das Projekt entging nur ganz knapp der Insolvenz.
Es begann mit einem alten Familienrezept
Dabei hatte alles so schön begonnen, die Mansfelds hatten nämlich bereits einen kleinen Schatz zu Hause, der nur darauf wartete, gehoben zu werden: ein altes Familienrezept von Katerinas Großmutter Maria – und dazu auch noch eine wunderbare Liebesgeschichte, die man sich immer wieder gerne erzählt. Diese Maria – eine Krankenschwester aus Sizilien – pflegte in ihren jungen Jahren einen Mann und brachte ihm täglich ihre hausgemachte Limonade ans Bett. Beide verliebten sich in dieser Zeit, heirateten später und gründeten eine Familie.
Beide leben schon lang nicht mehr, doch das Limonadenrezept gibt es immer noch. Die Mansfelds bereiten das Getränk für Feiern mit Verwandten und Freunden seit Jahren gerne zu – obwohl das wegen der immerhin neun Zutaten recht aufwändig ist. Zur Freude ihrer Tochter Sophia, die so begeistert war, dass sie 2014 auf die Idee kam, die Erfrischung auch anderen zugänglich zu machen. Als die drei eines Tages mit dem Auto im Stau standen und sich die letzten Reste der gekühlten Limo aus einer Thermoskanne teilten, habe sie plötzlich gerufen „Das muss in die Flasche!“, erinnert sich ihr Vater. Mit seinem „So einfach ist das nicht“ ließ sie sich nicht abwimmeln.
Idee beherzt in die Tat umgesetzt
Und Torsten Mansfeld gab sich einen Ruck. Er habe seiner Tochter vermitteln wollen, dass man nicht immer nur im Konjunktiv leben soll – hätte, würde, könnte. „Wenn man eine Idee hat, soll man es versuchen“. Seine Frau Katerina haben die beiden dann einfach überstimmt. Dafür trägt die Limo ihren Namen: Als Kind nannte nämlich Sophia ihre Mutter nicht „Mama“ oder „Mutti“, sondern „Mött“.
Bis die Brause es zur Marktreife schaffte, war es allerdings noch ein weiter Weg, denn die Mansfelds hatten „null Erfahrungen im Getränkebusiness“, wie Torsten Mansfeld einräumt. Allein die Suche nach einem Betrieb, der die Limo für ihn abfüllt, war ein Abenteuer. Ein erster Partner sprang kurzfristig ab, bevor es richtig los ging. Es folgte eine Brauerei, die es nicht einmal schaffte, die Etiketten zuverlässig auf die Flaschen zu kleben. Bei Nummer drei klappte es aber: Seit bald vier Jahren wird die „Mött’s“ bei einem traditionsreichen mittelständischen Brauhaus in Sachsen abgefüllt.
Entmutigend waren anfangs auch die Gespräche mit möglichen Partnern im Getränkefachgroßhandel. Mit mehreren tauschte sich Torsten Mansfeld damals aus und stieß auf offene Ohren. Vielen schmeckte die Limo, und das Konzept konnte ebenfalls überzeugen. „Bei Getränke Staude hat man uns dann aber den Kopf gewaschen“, erinnert er sich. Er erfuhr erstmals von Listungsgeldern und den harten Bandagen, mit denen im LEH gekämpft wird. Die Ehrlichkeit, mit der dort Schwierigkeiten angesprochen wurden, imponierte ihm aber. Heute ist Staude der wichtigste Partner der „Mött’s“. Bei ihm lagern die Flaschen und er sorgt für die Logistik.
„Strafarbeit“ für ersten Fehler
In der Halle von Staude war es auch, wo das junge Start-up seinen ersten gravierenden Fehler reparieren musste: Im November 2017 – wenige Monate nach dem Start – beschlagnahmten die Lebensmittelbehörden die komplette Ware. Grund war ein etwas zu geringer Zuckergehalt. Laut dem Deutschen Lebensmittelbuch muss Limonade mindestens sieben Prozent Zucker haben. Um die „Mött’s“ dennoch vermarkten zu können, klebte Katerina Mansfeld mit ein paar Freunden per Hand Korrekturetiketten auf 15.000 Flaschen – in Decken gewickelt bei fünf Grad. Ihr Mann lag damals im Krankenhaus.
Danach ging es aber gewaltig aufwärts. Bald hatte die „Mött’s“ eine breite Distribution in ihrem Kerngebiet, der Region Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Besonders stark vertreten ist sie dabei auch in Großstädten wie Leipzig, Dresden oder Halle. Dort hat es das hochpreisig positionierte Getränk auch in ambitionierte Restaurants und Kaffees geschafft. Beispielsweise in der Feinkostwelt der „Gourmétage“ in Leipzig und Erfurt stoßen Kunden, die keinen Alkohol trinken möchten, gerne mal mit der natürlichen, veganen und regionalen Limo an.
Aber auch im „ganz normalen“ Lebensmittelhandel und in Getränkemärkten der Region kann man sie inzwischen kaufen, zum Beispiel bei Konsum, Edeka, Rewe, Globus, Selgros, bei Fristo oder im Löschdepot. Neben Getränke Staude sorgen Partner wie Splendid Drinks, ESG Getränke oder der GFGH Waldhoff dafür, dass die Limo zum Point of Sale kommt.
Im Lockdown neue Rezepte entwickelt
Nach der coronabedingten Vollbremsung steht jetzt ein Neustart an. Durch die Lockdowns ging der Umsatz um 50 Prozent zurück, zum Jahresende 2020 drohten rote Zahlen, doch staatliche Unterstützung war nicht zu erwarten. Aufgeben kam für die Familie aber nicht in Frage – und so entschloss man sich, noch einmal richtig Gas zu geben. „Ihr müsst Euren Flaschen-Output erhöhen und neue Sorten bringen“, hatte man ihnen bei Staude geraten. Und so nutzten die Mansfelds die Zeiten des Lockdowns, um in ihrer heimischen Küche neue Limonadenrezepte zu entwickeln. Die Wahl fiel am Ende auf die neuen Varianten „Ingwer Limette Zitronengras“ und „Rhabarber Gurke Basilikum“, die sich zum Original „Gurke Zitrone Basilikum“ gesellten.
Mit dem Trio hofft die Familie nun auf den Durchbruch – oder zumindest erst einmal eine Erholung. „Unser kleiner roter Kolibri hat ganz schön Federn gelassen“, sagt Torsten Mansfeld in Anspielung auf das Markenzeichen, dass er, wie den gesamten Auftritt, selbst entworfen hat. „Die ersten Reaktionen sind positiv und die Bestellungen machen uns Hoffnung. Trotz Lieferengpässen bei unseren Zutaten konnten wir aus dem Stand den Flaschen-Output mit den neuen Sorten auf das Niveau von vor Corona heben. Der kleine Piepmatz hat sich wieder etwas berappelt, wir wünschen ihm so sehr, dass er bald fliegt.“ Und wer weiß: Vielleicht fliegt er dann auch irgendwann über die Region hinaus. Das ist im Moment aber noch Zukunftsmusik.