Das Bundesumweltministerium (BMU) setzt sein Projekt „Wasserwende – Trinkwasser ist Klimaschutz“ weiter fort. Daran erinnert ein Post auf der Social-Media-Plattform Facebook, in dem das Ministerium am vergangenen Dienstag unter dem Motto „Wasserflasche auffüllen, Plastikabfälle vermeiden“ erneut darauf hinwies, dass Leitungswasser bei der Sommerhitze „ein perfekter Durstlöscher“ sei und außerdem helfe, „unnötigen Verpackungsmüll“ zu vermeiden.
Das im Mai 2019 in Berlin begonnene Projekt soll bis April 2022 auf zwölf weitere Standorte in Deutschland ausgeweitet werden. 1,3 Millionen Euro stellt das BMU dafür bereit. Unter anderem sollen von den Geldern öffentliche Trinkbrunnen gebaut, Kitas auf das Thema eingeschworen und Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in Richtung eines Umstiegs von Mineral- auf Leitungswasser beraten werden.
Wasser in Lauenau nur noch aus dem Supermarkt
In Zeiten, in denen vielerorts durch die anhaltende Dürre und gleichzeitig erhöhten Wasserverbrauch der Haushalte das Leitungswasser knapp wird, mutet der Vorstoß verstörend an. Erst wenige Tage ist es her, dass die Feuerwehr im niedersächsischen Lauenau die Bevölkerung per Lautsprecherdurchsage aufrief, sich mit Wasser aus dem Supermarkt zu bevorraten. Dort waren alle Speicherbehälter restlos leer, und bis in den Herbst hinein wird, dem Bürgermeister zufolge, strenges Wassersparen notwendig sein, wie lokale und überregionale Medien berichteten. Auch in Hessen haben inzwischen einige Orte Wasserknappheit gemeldet.
In seinem Facebook-Beitrag weist indessen das BMU per Verlinkung auf ein Online-Seminar „Trinkbrunnen in Bildungseinrichtungen“ hin, das Ende September stattfinden soll. Veranstalter ist die Berliner Initiative „A Tip: Tap e.V.“, die das Klimaschutzprojekt zusammen mit öffentlichen Trinkwasserversorgern umsetzt. Bebildert ist der Terminhinweis mit einem Kleinkind, das einen Trinkbrunnen in der Stadt geradezu „umarmt“. Sicherlich nicht zu Unrecht weisen Facebook-Nutzer in der Kommentarspalte darauf hin, dass dies angesichts der strengen Hygienevorschriften in Corona-Zeiten eine eher unpassende Botschaft sein könnte.
BMU doch kein „Bündnispartner“ der Mineralbrunnen?
Nach einem monatelangen Streit zwischen Politik und Brunnenbranche konnte man in den letzten Wochen den Eindruck bekommen, die Lage hätte sich etwas beruhigt. Jedenfalls freute sich noch Anfang Juni Dr. Karl Tack, Vorsitzender des Mineralbrunnenverbands VDM, im Interview mit Getränke News, der VDM habe in zahlreichen konstruktiven Gesprächen mit verschiedenen Parteien klarmachen können, „dass die deutschen Mineralbrunnen schon aus ureigenem Interesse das Prinzip der Nachhaltigkeit verfolgen und stark in Klima- und Umweltschutz investieren“. Auch die frühe Umsetzung des weltweit vorbildlichen Recyclingsystems habe die Politik anerkannt und ihre Unterstützung zugesagt. Tack zeigte sich da sogar zuversichtlich, das BMU könne „ein natürlicher Bündnispartner der deutschen Mineralbrunnen“ werden.
Die aktuelle Öffentlichkeitsarbeit des Bundesumweltministeriums lässt an dieser Harmonie nun wieder zweifeln, zumal der Post vom Dienstag seither nicht der erste Tiefschlag seitens staatlicher Stellen gewesen ist: Erst Anfang Juli hatte das Bundespresseamt mit einem Facebook-Beitrag für Aufregung in der Branche gesorgt. „Mineralwasser belastet das Klima durchschnittlich 600 Mal mehr als Leitungswasser“, hieß es darin. Nach der Beschwerde des VDM wurde der Post allerdings gelöscht.
Corona-Krise macht auch der Brunnenbranche zu schaffen
Durch die Corona-Pandemie sind die Mineralbrunnen ohnehin geschwächt. Insbesondere Betriebe, die über den Getränkefachgroßhandel die Gastronomie beliefern, haben bereits empfindliche Einbußen hinnehmen müssen. Hinzukommen Verluste in der Hotellerie sowie bei Messen und Veranstaltungen. Laut dem VDM beschäftigen die etwa 200 deutschen Brunnen rund 12.500 Arbeitnehmer. Damit ist die Branche einer der größten Arbeitgeber der Getränkeindustrie. Der Umgang der Politik mit dem Thema setzt die Brunnen gerade in diesen Krisenzeiten zusätzlich unter Druck.