„Eine Marke umfasst heute viel mehr als nur ein Logo. Sie trägt Verantwortung für ihr Handeln und für ihren Auftritt“, sagen Ipek Molvali und Moritz Carstens von der Hamburger Design- und Markenagentur Mutabor. Im Interview mit Getränke News erläutern sie die aktuellen Herausforderungen beim Markendesign und die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Markenauftritt.
Getränke News: Sie haben unter anderem das Packaging von Veltins Hellem Lager entwickelt. Dabei sollte die angestammte Pilsmarke neu interpretiert werden. Wie kreativ durften Sie sein?
Carstens: Wir hatten einen großen Gestaltungsspielraum. Die Aufgabenstellung war, eine neue Marke zu kreieren, bei der die Verwandtschaft zum klassischen Veltins Pilsener gegeben sein sollte; keine komplett neue Marke oder Submarke also. Außerdem sollte das neue Produkt der Erwartungshaltung von jungen Konsumenten, die gerne internationale Lagerbiere trinken, gerecht werden. Wir haben anfangs sehr viele unterschiedliche Entwürfe gemacht und uns dann gemeinsam mit Veltins sehr schnell dem finalen Design genähert.
Getränke News: Was waren dabei die größten Herausforderungen?
Molvali: Herausfordernd war auf der einen Seite der ambitionierte Zeitplan, den wir für die Entwicklung der Flasche, des Kastens und des Sixpacks hatten, auf der anderen Seite die Gestaltung, bei der die Traditionsmarke neu interpretiert wurde. Die Marke Veltins sollte dabei erhalten, jedoch ein Stück weit modernisiert werden. Wir wollten etwas kreieren, was neu ist, mit dem Gefühl, es war schon immer da und ist nicht fremd. Wir haben dazu das Veltins-Wappen dekonstruiert und aus dem Kern der Marke etwas Neues kreiert. Zusätzlich mussten wir beachten, dass die Kommunikation und Markenwelt mit der Produktausstattung einhergehen.
Getränke News: Ist es heute leichter oder schwieriger, eine neue Marke zu kreieren?
Carstens: Als Start-up eine neue Marke in einer Nische zu starten, ist heute einfacher als früher. Aber eine neue Marke für eine breite Zielgruppe ganzheitlich groß und erfolgreich zu machen, ist deutlich schwieriger geworden. Es reicht nicht mehr aus, eine große Plakat- und TV-Kampagne zu machen, man muss viel mehr in die Breite gehen, braucht deutlich mehr Power, mehr Kapital und starke Vertriebspartner.
Getränke News: Was muss heute ein guter Markenauftritt mitbringen? Wie hat sich das über die letzten Jahre verändert?
Carstens: Früher gab es den einen Markenauftritt, einheitlich und klar, der in allen Vertriebs- und Kommunikationskanälen funktioniert hat. Heute dürfen Marken nicht mehr so starr agieren, müssen deutlich flexibler sein. Sie dürfen nicht überall gleich aussehen, müssen sich aber über alle Touchpoints hinweg gleich anfühlen. Wir müssen heute in Social Media, POS, TV oder beispielsweise Print überall unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und flexibel mit einer Marke und mit den Markenelementen agieren können.
Molvali: Auch die inhaltliche Ebene wird immer wichtiger. Eine Marke muss heute eine Haltung, eine Aussage zu Themen kommunizieren, mit denen sich die Menschen identifizieren können. Die Zielgruppenansprache ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Im Supermarkt steht die inhaltliche Ebene nicht direkt im Vordergrund, hier zählt die Markenoptik. Im Internet ist eine Marke durch einen starken Inhalt zu finden. Gestaltung lässt sich eben schwer googeln, Geschichten schon.
Getränke News: Was sind die aktuellen Design-Trends?
Molvali: Die Farbgebung spielt heute eine sehr wichtige Rolle und welche Farben die einzelnen Marken besetzen. Im Trend ist aktuell außerdem die Reduktion auf wenige starke Gestaltungselemente.
Carstens: Eine erfolgreiche Marke funktioniert mit wenigen starken Elementen. Ein Beispiel hierfür ist Coca-Cola. Die Farben rot und weiß, dazu der geschwungene Schriftzug und die ikonische Flasche, das allein macht die Marke Coca-Cola aus.
Getränke News: Von einem Trend zur Reduktion beim Markenauftritt ist aber im deutschen Biermarkt noch wenig zu sehen…
Carstens: Der Biermarkt in Deutschland ist noch sehr traditionell geprägt. Wir haben viele Biermarken, die hunderte von Jahren alt sind. Die Erwartungshaltung der deutschen Biertrinker ist, dass die Expertise, die hinter der langen Tradition steckt, auch im Markenauftritt abgebildet wird. Deshalb sollten bestimmte Elemente beibehalten werden. International reduzieren jedoch alle großen Biermarken ihre Auftritte auf die wesentlichen Kernelemente ihrer Marke. Das wird auch in Deutschland so kommen.
Getränke News: Worauf kommt es beim Markenauftritt im digitalen Raum an? Wie gewinnt man dort die junge Zielgruppe?
Molvali: Die Marke braucht ein starkes visuelles Element, das auf kleinstem Raum funktioniert. Da der Kunde sich im digitalen Raum meist bereits innerhalb einer Produktkategorie bewegt, spielt die Differenzierung der Marke hier eine große Rolle. Die Marke braucht außerdem Flexibilität, um sich an die verschiedenen Geschichten, die den unterschiedlichen Zielgruppen erzählt werden, anzupassen. Dennoch muss sich die Marke in allen Formaten gleich anfühlen. Und ganz wichtig: Auch die älteren Stammkunden müssen digital mitgenommen werden.
Carstens: Der digitale Raum ist viel schnelllebiger als Print. Der Inhalt ist hier wichtiger als die Gestaltung. Ein inhaltlicher Fauxpas wird in Social Media nicht so schnell verziehen, ein optischer schon.
Getränke News: Wie wird sich KI auf den Kreativprozess auswirken?
Molvali: Die Kreativprozesse werden schneller und die Kunden sparen Budgets, weil wir durch die Anwendung von KI effektiver recherchieren und gestalten können. Damit reagieren wir auf die veränderten Anforderungen der Kunden. Manche Arbeiten wie beispielsweise Recherche, Bildbearbeitung oder Adaptionen, die in der Vergangenheit Wochen gedauert haben, werden jetzt in deutlich kürzerer Zeit erledigt.
Carstens: Wir können manche Dinge nun zwar schneller machen, das heißt aber nicht, dass sie weniger anspruchsvoll sind. Wir wissen, was den Menschen gefällt und die KI gibt uns nur das zurück, was wir zuvor auch reingegeben haben.
Unsere Gesprächspartner:
Ipek Molvali hat Internationales Marketing studiert und war sowohl auf Kundenseite als auch bei verschiedenen Design- und Werbeagenturen tätig, bevor sie 2015 zu Mutabor kam. Betreut hat sie in den vergangenen 18 Jahren u.a. Kunden wie Bahlsen, Bosch/Siemens Hausgeräte, Capri-Sun, Clariant, Edeka, Faber-Castell, Fischer, Henkel, Rewe und Veltins.
Creative Director Moritz Carstens hat nach seinem Studium der Freien Künste und Kommunikationsdesign bei verschiedenen Designagenturen gearbeitet und war in den letzten zwölf Jahren u.a. für die Kunden Bahlsen, British American Tobacco, Coca-Cola, Hansaplast Sport, Imperial Tobacco, Faber-Castell, Fischer, Henkel, Krombacher, Osram und Veltins verantwortlich.