Sie besitzt jene Strahlkraft im oberfränkischen Kulmbach, die man ihr traditionell zuschreibt: Die Kulmbacher Brauerei ist in der Kreisstadt mit gut 26.000 Einwohnern eine Institution. Fragt man den Ur-Kulmbacher heute nach der Biertradition seiner Stadt, schwelgt er jedoch lieber in Erinnerungen.
Noch in den frühen Achtzigerjahren waren es gleich mehrere Platzhirsche, die innerhalb der überschaubaren Stadtgrenzen den Ton angaben – die Brauwirtschaft pulsierte allenthalben. Da waren die Reichelbräu, die EKU, die Sandlerbräu und die Mönchshof-Brauerei. Geblieben ist allein eine Braustätte – eine Vereinigung vormals stolzer, selbstständiger Brauereien, deren Biere heute allesamt aus einem einzigen Sudhaus stammen. Durch den Zusammenschluss der vier Brauereien zur Kulmbacher Gruppe konnten die traditionsreichen Biere unter einem Dach bewahrt und fortgeführt werden.
EBIT tritt bedenklich auf der Stelle
Das Biergeschäft ist schwer geworden im oberfränkischen Mittelzentrum. Mit sechs namhaften Tochtergesellschaften produzierte die Kulmbacher Gruppe im Geschäftsjahr 2024 insgesamt 3,64 Millionen Hektoliter Getränke – ein Zuwachs von 2,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Umsatzerlöse erhöhten sich auf 290,9 Millionen Euro (+3,1 Prozent). Das EBIT übertraf mit 12,7 Millionen Euro den Vorjahreswert von 10,1 Mio. Euro. Damit konnte die Gruppe innerhalb von fünf Jahren mengenmäßig deutlich zulegen.

2019 war bei einem Ausstoß von 3,32 Millionen Hektolitern lediglich ein Umsatz von 232,9 Millionen Euro bilanziert worden. Damals betrug das EBIT 12,6 Millionen Euro, was zeigt, dass die Gruppe seit einem halben Jahrzehnt faktisch auf der Stelle tritt. Die Zeiten dürften nicht besser werden. Die zunehmende Wettbewerbsintensität und steigende Kosten sind an der Kulmbacher Gruppe nicht spurlos vorübergegangen. Ganz im Gegenteil: Das Unternehmen leidet unter den zwangsläufig gestiegenen Ausgaben.
Mönchshof wurde zum Glücksgriff
Die Kulmbacher Gruppe stand über viele Jahre unter der Führung von Markus Stodden. Der Vorstandsvorsitzende leitete das Unternehmen seit 2013, blickte beim Ausscheiden im vergangenen Jahr auf 23 Jahre Gruppenzugehörigkeit zurück und tat in schwierigen Zeiten, was eine regional ausgerichtete Braugruppe tun kann: Kurshalten! Der Heimatmarkt wurde mit aller Kraft bearbeitet und die nationale Expansion über die traditionsreich positionierte Spezialitätenmarke Mönchshof vorangetrieben.
Deren Erfolg mit der Bügelverschlussflasche und einer bewusst hochpreisigen Positionierung brachte der Kulmbacher Gruppe im Handel wie bei den Verbrauchern zusätzliche Wertschätzung ein; konsistente Markenführung half dabei, in den verschiedenen Sortensegmenten Marktanteile auszubauen. Dagegen gelang es der angestammten Weißbiermarke Kapuziner nicht, sich dem allgemeinen Absatzrückgang im Weißbiersegment zu entziehen – Weißbier hat in Deutschland schlichtweg seinen Zenit überschritten.
Schörghuber, Heineken und Ruckdeschel ziehen die Fäden
Dass sich in der Wertschöpfung der Kulmbacher Gruppe zwischen 2019 und 2024 kaum etwas verändert hat, zeigt, wie stark das Bier- und Brunnengeschäft unter dem Kostendruck leidet. Die Kulmbacher Brauerei AG ist mehrheitlich (63,8 Prozent) im Besitz der Paulaner Gruppe. Zweitgrößter Aktionär mit 25,8 Prozent ist die Ireks GmbH, der seit jeher brauereinahen Familie Ruckdeschel, weitere 10,4 Prozent befinden sich in Streubesitz. Dass die beiden größten Aktionäre zwar noch regelmäßig Dividenden einstreichen, aber keinesfalls euphorisch sind, lässt sich angesichts der Bilanzen der letzten Jahre nachvollziehen. Die Schörghuber-Gruppe ist aus ihrem Stammgeschäft bei Paulaner ganz andere Renditen gewohnt, und auch der niederländische Anteilseigner blickt beim Benchmarking mit anderen Heineken-Brauereien eher kritisch auf das regionale Dilemma Oberfrankens.
Es ist, wie es ist: Die Ertragssituation der vornehmlich regionalen Brauereien gerät zunehmend unter Druck. Und schon heute kann sich das Controlling der Kulmbacher Brauerei ausrechnen, wann die Gewinne nicht mehr ausreichen, um die Aktionäre zufrieden zu stellen. Größe bedeutet nicht immer Stärke und eine Vergleichbarkeit mit gleichgroßen, aber deutlich renditestärkeren Premium-Brauern dieser Republik scheidet für die Kulmbacher Gruppe ohnehin aus.
EKU zum Underdog degradiert
In Kulmbach setzt man auf ein solides Markengeschäft – ein Ansatz, der in der Ausrichtung des angestammten Produktportfolios zweifellos aufgegangen ist. Ganz vorne steht die Marke Kulmbacher mit einem klar fokussierten Kernsortiment rund um Pils und klassische Bierspezialitäten. Über eine regional flächendeckende Distribution kommt sie allerdings kaum hinaus. Es mangelt nicht am Geschmack, wohl aber an nationaler Strahlkraft und Markenwertschätzung der Kulmbacher-Markenfamilie.
Ganz anders Mönchshof – die Vorzeigemarke der oberfränkischen Braugruppe. Sie gilt als großer Spezialitätenliebling, in die weiterhin kräftig investiert wird – sowohl in den Markenauf- als auch in den -ausbau. Die Biermixe der vergangenen Jahre waren ebenso Garanten des Erfolgs wie der Hellbier-Trend, der dank nationaler Distribution erfreuliche Zuwächse beschert.

Dagegen bleibt die Marke EKU – nach dem Fall der deutsch-deutschen Grenze jahrelang ein bedeutender Volumenbringer – heute ein Underdog. In der Optik wenig gepflegt, in der Distribution kaum weiterentwickelt, leidet EKU unter den Gepflogenheiten im Vertrieb, dessen Außendienst offenbar genau weiß, wie er zwischen A- und B-Marken unterscheidet.
Biergeschäft im Osten unter negativen Vorzeichen
Auch das Engagement im Osten erwies sich 2024 als schwierig. Auf dem preis- und wettbewerbsintensiven sächsischen Biermarkt ging der Absatz der Plauener Sternquell-Brauerei um 7,5 Prozent zurück. Als Hauptgrund für diese Entwicklung nannten die Verantwortlichen die notwendige Preiserhöhung. Besonders das Sternquell Pilsner verzeichnete auf dem weiterhin rückläufigen Pilsbiermarkt in Sachsen ein Absatzminus von 8,7 Prozent und geriet damit unter den Aktionsdruck der Oetker-Marken Sternburg, Radeberger und Freiberger. Auch Carlsberg trieb mit der jüngst erworbenen Marke Wernesgrüner die Aktivitäten spürbar voran und holte sich im engen regionalen Markt zusätzliche Mengen – die Braustätten von Sternquell und Wernesgrüner liegen gerade einmal 40 Fahrtminuten voneinander entfernt.
Während das Biergeschäft unter Druck stand, konnte die Kulmbacher Gruppe im Mineralbrunnenbereich punkten: Im Geschäftsfeld der Mineralwässer und Erfrischungsgetränke erzielte die Marke Bad Brambacher im ersten Halbjahr 2025 ein Absatzplus von 8,2 Prozent.
Sog der Fusionen
Es war eine Geschichte lokaler Fusionen – teils aus wirtschaftlichen Zwängen, teils aus zielführender Vernunft –, die in Kulmbach früher begann als anderswo. Schon 1960/61 meldete die einst selbstständige Reichelbräu den höchsten Ausstoß ihrer Unternehmensgeschichte: Damals waren es 159.966 Hektoliter. 1979/80 erreichte man fast die 500.000-Hektoliter-Schwelle und überschritt zu Beginn der Neunzigerjahre schließlich die Million.

Die stürmische Entwicklung blieb nicht ohne Folgen: Sie zog weitere Übernahmen im nordbayerischen Raum nach sich. Hinzu kamen alkoholfreie Getränke und zwei Coca-Cola-Konzessionen. In den 1980er-Jahren setzte in Kulmbach schließlich eine tiefgreifende Fusionswelle ein. Anfang 1980 übernahm Reichelbräu von Oetker die Sandlerbräu KG, die zu jener Zeit rund 240.000 Hektoliter braute. 1984 folgte die Eingliederung der Mönchshof-Bräu, die mit über 300.000 Hektolitern durch Kooperation und Aktientausch an Reichelbräu angeschlossen wurde.
Bayernhypo und Oetker mischten mit
Ende 1984 zeigte sich die Aktionärsstruktur der Kulmbacher Brauereien außergewöhnlich vielfältig: Die als Brauereienfinancier aktive Bayernhypo sowie die Familien Meußdoerffer (Mönchshof) und Schlutius hielten jeweils 25 Prozent, während Oetker weitere zehn Prozent besaß. Diese Konstellation blieb jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits zwei Jahre später übernahm die Münchener Schörghuber-Gruppe mit ihrer Paulaner Brauerei die Anteile der Bayernhypo. Wenig später erwarb die damals noch junge Bau- und Bierunternehmensgruppe auch die Anteile der Familie Meußdoerffer, deren Beteiligung in Aktien der Reichelbräu umgewandelt wurde.
Nach diesen Transaktionen hielten die neuen Großaktionäre folgende Anteile: Schörghuber 49,9 Prozent, Schlutius 25 Prozent und Oetker acht Prozent. In der Folge war der örtliche Brauereienverbund, der später zur Kulmbacher Gruppe wurde, mehrere Jahre lang vor allem mit der internen Konsolidierung beschäftigt. Ziel war es, das vielfältige Markenportfolio zu bereinigen und überalterte Braukapazitäten stillzulegen.
Während die Wiedervereinigung Deutschlands den großen Premium-Marken Aufschwung brachte, blieben die anfänglichen kurzfristigen Vertriebsgeschäfte von EKU & Co. in Sachsen und Thüringen Episode – der Rückzug auf den angestammten Heimatmarkt war vorgezeichnet.
Investitionen in den Osten
Als kluger Schachzug erwies sich die Osterweiterung in unmittelbarer Nachbarschaft zur oberfränkischen Heimat der Kulmbacher Biere. 1990 wurde die Sternquell-Brauerei in Plauen-Neuensalz übernommen, ein Jahr später folgte die Braustolz-Brauerei in Chemnitz. Nach anfänglichen Investitionen, jedoch ohne nachhaltigen Markterfolg im sächsischen Markt, wurde Braustolz 2017 endgültig geschlossen. Die Produktion verlagerte man in die Sternquell-Brauerei, wo die Biere der Marke Braustolz bis heute gebraut werden.
Fazit: Erfolge mit guten Marken
Positiv bleibt: Dank klar geführter Marken verdient die Kulmbacher Gruppe weiterhin Geld mit oberfränkischem Bier. Weniger erfreulich ist dagegen, dass der Ertrag kaum Schritt hält mit dem Umsatzwachstum, das in den vergangenen Jahren vor allem durch Mengen- und Preiseffekte erzielt wurde. Die duale Marktstrategie – einerseits der Kampf um Marktanteile im regional stark umkämpften Umfeld, andererseits die Präsenz in nationalen Getränkeregalen über kostspielige Handelslistungen – stößt zunehmend an ihre Grenzen.
Schon im ersten Halbjahr 2025 musste die Gruppe beim Bierausstoß einen leichten Rückgang hinnehmen. Zum gewohnten Branchenpessimismus besteht dennoch kein Anlass: Das klar strukturierte Markenportfolio besitzt Sortimentsrelevanz und kann mit einer nachhaltigen Vertriebsstrategie den Verbraucherwünschen gerecht werden. Der Mut zur Nische, insbesondere bei Biermischgetränken, die zudem unter der attraktiven Marke Mönchshof vermarktet werden, könnte sich weiterhin auszahlen. Wie sich zeigen wird, dürfte das Ausstoßwachstum auch in Kulmbach zunehmend in den Hintergrund geraten. Statt mehr Menge zählt künftig vor allem eines: mehr EBIT.
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