Die Krombacher Gruppe ist inmitten der Strukturkrise der deutschen Brauwirtschaft angekommen. 2024 wurde der zweitniedrigste Pilsabsatz der letzten zwei Jahrzehnte bilanziert – immerhin fast 15 Prozent unter dem Spitzenwert von 2006. Insgesamt lag der Absatz (Bier und Softdrinks) bei -0,8 Prozent unter Vorjahr. Das Unternehmen tritt auf der Stelle.
Inhaber Bernhard Schadeberg, der sich als anerkannter Branchen-Allrounder gern im Licht des Allzeithochs sonnte, bekommt immer öfter die Schattenseiten des Biermarktes zu spüren. Daran dürfte auch sein vertikales Marktengagement im Getränkefachgroßhandel nichts ändern. Stattdessen zählen Finanz-Engagements bei der Krones AG und in der Cannabis-Produktion zu den Zukunftsgeschäftsfeldern, die fernab des Getränkeverkaufs kräftig Geld in die Familienkasse spülen dürften.
Marke hält an Naturverbundenheit fest
Die auf den ersten Blick erkennbaren Marktschwierigkeiten ändern aber nichts an einer mustergültigen Erfolgsstory der Siegerländer, fußte sie doch lange Zeit allein auf solidem Brauereigeschäft. Krombacher erarbeitete sich in den Neunzigerjahren unter Vertriebs- und Marketingprofi Günter Heyden Handelskompetenz und Absatzerfolge, setzte in der Werbung alles auf eine Karte – und auf ein Key-Visual. Der Krombacher See wurde viele Jahre von der Werbeagentur Wensauer & Partner gepflegt, inzwischen – in anderen Agenturhänden – ist das Leitmotiv allerdings so dominant geworden, dass es droht, der Marke notwendige Freiheit und Kreativität zu nehmen.
Mit der neuen Markenkampagne „Auf unsere Natur“ verjüngt Krombacher seit Frühjahr 2025 seinen Markenauftritt und setzt ein bekanntes Zeichen in Sachen Naturverbundenheit. Die neue Markenpräsenz umfasst seither einen vollumfänglichen und crossmedialen Relaunch über alle Krombacher Vertriebskanäle. Dazu gehören die Umstellung des gesamten Produktdesigns, ein neuer TV-Werbespot und digitale Aktivierungen sowie die Neugestaltung der Werbemittel für den Handel und die Gastronomie.
Marketingexperten fragen sich hingegen immer öfter, ob es mangelnder Mut oder schlichtweg die Vorsicht im Umgang mit dem Key-Visual ist, denn außer der Headline und einigen grafischen Elementen hat sich nicht viel geändert.
Krombacher wird Marktführer
Doch das kommunikative Heyden-Rezept trägt augenscheinlich bis heute. Muss es auch, denn Alternativen sind nicht in Sicht. Mit steigenden Budgets wurde das Sehnsuchtsmotiv bereits in den frühen Neunzigerjahren mit der grünen Insel inmitten eines beschaulichen Sees penetriert und alsbald so bekannt, wie es damals allenfalls dem inzwischen ausgemusterten Beck’s-Segelschiff gelungen war. Der 2018 verstorbene Günter Heyden hatte es geschafft, die Marke für den Verdrängungswettbewerb auch nach seinem Ausscheiden 2001 zu stählen.
Mit beachtlichen 4,79 Millionen Hektolitern Gesamtausstoß ging die Krombacher Brauerei ins neue Jahrtausend, entriss der Warsteiner Brauerei alsbald die Marktführerschaft, und Familien-Junior Bernhard Schadeberg übernahm das Ruder. Der damals junge Inhaber, der in seiner führenden Rolle von Anfang an auch von seiner Schwester Petra Schadeberg unterstützt wird, entwickelt seither eine Umtriebigkeit, die ihresgleichen sucht. Getränkefachgroßhändler berichten unisono, dass das Ohr von Schadeberg überall am Markt präsent sei.
Einen wichtigen Etappensieg erzielte das Unternehmen kurz nach der Jahrtausendwende. Angesichts des rasanten Wachstums konnte schon 2002 die Marktführerschaft verkündet werden – mit einem Umsatz von 425,9 Millionen Euro. Der hat sich für die Krombacher Dachmarke auf 729,8 Millionen Euro erhöht und damit in über 20 Jahren um 71,4 Prozent gesteigert. Alles in allem blieb es 2024 bei einer bilanziellen Seitwärtsbewegung.
Der Gesamtausstoß der Krombacher Gruppe lag 2024 bei 7,57 Millionen Hektolitern. Im Vergleich zum Vorjahr war dies ein Rückgang um 0,8 Prozent. Die Dachmarke Krombacher setzte dabei 5,675 Millionen Hektoliter ab (-1,1 Prozent). Die alkoholfreien Getränkesorten um Schweppes erreichten einen Zuwachs um 1,7 Prozent auf 1,635 Millionen Hektoliter.
Der Anteil der alkoholfreien Getränke innerhalb der Krombacher Gruppe beträgt laut Unternehmensangaben rund 40 Prozent. Zwar gibt Krombacher traditionell keine Zahlen zur Rendite bekannt, doch das Ergebnis dürfte – auch abzüglich der bei Schweppes notwendigen Lizenzzahlungen – auskömmlich ausfallen. Kein Wunder, dass die Familiengesellschafter die Krombacher Gruppe über all die Jahre mit immer neuen Zukäufen erweitern konnten.
Stärken des eigenen Standorts
Rückblick: Zwar hatte sich Bernhard Schadeberg immer wieder für Brauereiübernahmen auf dem heimischen Biermarkt interessiert, zu Akquisitionen großer Brauereien kam es aber nicht. Vielmehr besann man sich in Krombach auf die Stärken des eigenen Standortes. Die Übernahme des lokalen Wettbewerbers Eichener Brauerei war zu guter Letzt nur ein Federstrich in der Unternehmensgeschichte. Nach dem Kauf des operativen Geschäfts im Jahr 2002 folgte 2014 die Einstellung der Produktion in Krombachs Nachbarort.
Damit endete die 126-jährige Tradition, als Krombacher die Produktion der Biere aus der Eichener Brauerei in die 2007 aufgekaufte Rolinck Brauerei nach Steinfurt verlagerte. 2017 folgte das endgültige Aus, Eichener wurde eingestellt. Dass damit Krombacher zur beherrschenden Gruppe im heimischen Siegerland werden sollte, lag auf der Hand und war fortan unvermeidbar. Doch wie so oft führt die allgegenwärtige Markenpräsenz zu einer ablehnenden Haltung vieler Verwender. So wurden gerade in den letzten Jahren lokale Wettbewerber wie Irle oder Erzquell plötzlich salonfähig und sogar als Kult gehandelt.
Regionalbrauerei für Spezialaufgaben
Dieser offenkundige Vertriebs- und Markenführungsfehler konnte bei der Übernahme der Rolinck Brauerei gar nicht erst passieren. Im weit entfernten Münsterland erwarb die Krombacher Gruppe mit Wirkung zum 1. Januar 2007 den Braubetrieb und trieb seither mit ruhiger Hand Investitionen voran. Die Privatbrauerei Rolinck vertrieb seinerzeit rund 175.000 Hektoliter.
2013 holte die Siegerländer Zentrale die einst selbstständige Privatbrauerei A. Rolinck vollends unter das Dach der Krombacher Gruppe. In einem Rundbrief teilte Bernhard Schadeberg damals mit, dass die Steinfurter Braustätte in die Krombacher Gruppe integriert werden und damit nicht weiter als eigenständige Gesellschaft existieren sollte. Es blieb dabei: Rolinck übernimmt – als zweites Braustandbein – bis heute viele Aufgaben, nachdem Kapazitäten durch den Mengenverlust des Rolinck-Markengeschäftes frei geworden waren. Das gilt für Krombacher Produkte ebenso wie für Vitamalz.
Drinks & More statt Miller Brands
Neben dem klassischen Braugeschäft brachte Bernhard Schadeberg zahlreiche vertriebliche und distributive Beteiligungen voran. Die Neuausrichtung unter der Ägide des Familiengesellschafters war erfolgreich, immer mehr Beiboote kamen hinzu, die vor allem der vertikalen Marktverankerung dienten. Einziger Fehlschlag: 2003 folgte die Beteiligung (49,8 Prozent) an Miller Brands Germany (MBG), nachdem man sich dort vom Partner Warsteiner getrennt hatte. Krombacher wollte damit näher an die Szene heranrücken, sollte aber alsbald spüren, dass das Engagement bei MBG unter Führung von Andreas Herb keine Früchte tragen konnte. 2010 wurde die Zusammenarbeit beendet.
Auf der Suche nach einem ähnlichen, aber leichter steuerbaren Unternehmenskonzept wurde die Krombacher Gruppe 2015 fündig. Die Krombacher Brauerei übernahm zu 100 Prozent die Drinks & More GmbH & Co. KG aus Hamburg, einen Getränkevermarkter von hauptsächlich alkoholfreien Getränkespezialitäten, der im Jahr 2015 einen Umsatz von rund 30 Millionen Euro machte. Es kam also zusammen, was zusammengehörte. Das Portfolio besteht heute neben Schweppes aus Topmarken wie White Claw, Orangina und Dr Pepper. Außerdem werden Trendmarken wie Proviant und Richard’s Sun Iced Tea auf- und ausgebaut. Zusätzlich wird die Marke Vöslauer vertrieben. Hinzu kam 2024 das Sportgetränk Gatorade, das die Krombacher-Tochter Drinks & More auf den deutschen Markt zurückholte. Hierzu wurde mit dem Markeneigner, dem Pepsico-Konzern, eine strategische Partnerschaft geschlossen.
Schweppes als zentrale AfG-Säule
Wichtigste Säule des heutigen AfG- und Trendgeschäfts ist die langfristige Sicherung der Lizenzrechte für die Marke Schweppes, die sich Krombacher 2006 bei den Private-Equity-Unternehmen Blackstone und Lion Capital sicherte und damit eine Cash-Cow unters Firmendach holte. Krombacher gab Gas und integrierte Schweppes angesichts der guten Gastronomie-Reputation nun auch in die LEH-Landschaft. 2022 übernahm Krombacher zusätzlich die Heil- und Mineralquellen Germete GmbH mit Sitz in Warburg. Bereits zum Akquisitionszeitpunkt wurden dort jährlich rund zwei Millionen Hektoliter Mineralwasser und Erfrischungsgetränke abgefüllt. Vorgesehen war, die Schweppes-Produkte, die bis dahin komplett bei Fremdabfüllern hergestellt wurden, im Laufe der Zeit in Eigenregie zu produzieren.
GFGH-Beteiligungen sichern Distribution
Derweil treibt Krombacher die Marktbereinigung kleingliedriger Strukturen im Getränkefachgroßhandel voran – Beteiligungen und Aufkäufe einst selbstständiger GFGH-Betriebe gehören zum Alltagsgeschäft. Der GVS Getränkevertrieb Südwestfalen gehört als gruppenzugehörige Beteiligung zur Getränke & Mehr Gruppe, die als serviceorientierte Getränkefachgroßhandels-Gruppe mit über 20 GFGH-Standorten arbeitet.
Neben dem klassischen GFGH-Geschäft wird in einer eigenen Vermarktungsgesellschaft für Getränkefachmärkte die Kooperation mit rund 200 Getränkefachmärkten gebündelt. Diese Vermarktungsgesellschaft heißt Getränkemärkte Südwestfalen GMSW; ihr Hauptsitz befindet sich ebenfalls in Kreuztal-Krombach. Überdies hält die Krombacher Brauerei unverändert Anteile an dem nationalen Getränkelogistiker Trinks, wenngleich inzwischen deutlich reduziert.
Bis Ende 2011 waren Krombacher, Warsteiner, Radeberger Gruppe und Nestlé Waters mit jeweils 25 Prozent an Trinks beteiligt. Ab Anfang 2012 übernahm die Bitburger Braugruppe den Anteil von Radeberger – letztere trat dadurch aus der Gesellschafterrunde aus. Nach dem Ausscheiden von Nestlé Waters aus dem Gesellschafterkreis (2021) wurde die 25-Prozent-Beteiligung unter den drei Brauern aufgeteilt.
Damals zählte Trinks zu den führenden Getränkelogistikunternehmen in Deutschland. Mit rund 1.700 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unternehmen 2020 einen Netto-Umsatz von rund 1,6 Milliarden Euro. Die fortwährende Ertragsschwäche in der Getränkelogistik führte zu einer erneuten Veränderung des Gesellschafterkreises. 2023 wurde eine 50-Prozent-Beteiligung der Rewe an Trinks eingefädelt – für viele ein Tabubruch in der Landschaft des deutschen Getränkefachgroßhandels. Das Bundeskartellamt gab wenig später den Erwerb von jeweils 50 Prozent der Anteile an der Trinks GmbH, Hennef, und der Trinks Süd GmbH, Fürstenfeldbruck, durch Rewe frei – nach intensiven Ermittlungen im Vorprüfverfahren. Die Kontrolle über die andere Hälfte der Anteile verblieb bei den drei Brauern.
In der Folge zeigte sich die Edeka-Führung verärgert, der Handelsriese listete Krombacher-Produkte flächendeckend aus. Zugleich wurde die Bedeutung der Deutschen Getränke-Logistik (DGL), eines Joint Ventures der Radeberger Gruppe und der Brauerei Veltins, als weiterhin handelsneutraler Hauptwettbewerber gestärkt.
Petra Schadeberg im Krones-Aufsichtsrat
Die Familiengesellschafter der Krombacher Gruppe blieben umtriebig, investierten massiv in die Krones AG. Der Einfluss der Familie Schadeberg beim Getränkeanlagenbauer wurde kontinuierlich ausgebaut, inzwischen ist Petra Schadeberg seit Jahren mit einem Sitz im Aufsichtsrat vertreten. Sie wacht nicht nur über den Anlagenbauer, sondern dürfte zugleich bestens darüber informiert sein, welcher Getränkehersteller welche Investitionen plant. Einen besseren Einblick in die globale Getränkeindustrie dürfte wohl nirgendwo sonst so vollumfänglich zu bekommen sein.
Des weiteren investierte die Familie 2020 in medizinisches Cannabis. Wie „Business Insider“ damals meldete, erhöhte Schadebergs Beteiligungsgesellschaft die Anteile an dem Berliner Cannabis-Start-up Demecan von 10,9 auf 15,9 Prozent. Schadeberg hatte sich bereits in der ersten Finanzierungsrunde im September 2019 an dem Unternehmen beteiligt. Dem Internet-Nachrichtenportal zufolge steuerte er seinerzeit 3,5 Millionen Euro bei. Das Start-up war damals das erste deutsche Unternehmen, das eine Erlaubnis für den Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland erhalten hatte. Europa gilt in der Branche als einträglicher Zukunftsmarkt. Demecan errechnete das Marktvolumen allein in Deutschland bis 2024 auf rund 1,2 Milliarden Euro.
Fazit
Bereits in den Neunzigerjahren verschaffte die Ertragskraft der Krombacher Brauerei der Familie Schadeberg ein stetig wachsendes Kapitalpolster. Das damalige Wachstum sorgte für finanzielle Spielräume, sodass zunehmend Beteiligungen eingegangen werden konnten – auch zur Risikostreuung. Das ist auch dringend notwendig. Die Marke Krombacher mit ihrer dauerhaften Line-Extension ist längst an die Grenze des Mengenwachstums gestoßen – der Krombacher-Motor stottert. Und die Beteiligungen im Getränkefachgroßhandel dürften angesichts mangelnder Renditekraft vornehmlich der distributiven Absicherung dienen, weil sie rentable Fassbierhektoliter enthalten.