Die im Januar veröffentlichte ARD-Serie „Dirty Little Secrets – Warum wir immer weiter trinken“ hat mit ihren Aussagen zur Alkoholpolitik und dem Umgang der Bundesregierung mit wissenschaftlichen Studien in der Branche Kritik ausgelöst. Die dreiteilige Produktion des Bayerischen Rundfunks (BR) thematisiert die gesundheitlichen Risiken des Alkoholkonsums und behauptet, „eine Studie mit brisanten Empfehlungen“ sei im Bundesgesundheitsministerium (BMG) verschwunden.
In einer Pressemitteilung schreibt der BR, dass die Ampelregierung, obwohl sie im Koalitionsvertrag strengere Regeln für Alkoholwerbung angekündigt hatte, keine entsprechenden Maßnahmen umgesetzt habe. Es wird der Eindruck erweckt, dass das Gesundheitsministerium absichtlich eine von ihm in Auftrag gegebene Studie zurückgehalten habe, um strengere Regulierungen zu verhindern. Die Serie selbst suggeriert, dass wissenschaftliche Empfehlungen ignoriert oder unterdrückt wurden, um die wirtschaftlichen Interessen der Alkoholwirtschaft zu schützen.
Studie jederzeit für Allgemeinheit zugänglich
Die Studie, die unter der Leitung von Dr. Jakob Manthey vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg durchgeführt wurde, ist jedoch frei zugänglich und wurde bereits vor einem Jahr veröffentlicht – sie ist jederzeit im Netz abrufbar. Zwar wird dies in der ARD-Serie am Rande erwähnt, jedoch wird auf einen Fachartikel in einem englischsprachigen Wissenschaftsmagazin verwiesen. Bei den Zuschauern bleibt der Eindruck haften, die Studie sei zurückgehalten worden, da sie eine klare Empfehlung für ein Alkohol-Werbeverbot ausgesprochen habe.
Das Gegenteil ist der Fall: „Die verfügbaren empirischen Belege stützen die Behauptung nicht, dass Alkoholwerbeverbote ein geeignetes Mittel zur Verringerung des Alkoholkonsums darstellen“, heißt es im Fazit der Studie. Dieser zentrale Befund wird in der ARD-Berichterstattung nicht erwähnt.
Wesentliche Aspekte bleiben unberücksichtigt
Die Berichterstattung lässt weitere wesentliche Aspekte in der Alkoholdebatte unberücksichtigt. Beispielsweise bleibt unerwähnt, dass der Alkoholkonsum in Deutschland, insbesondere bei jungen Menschen, seit Jahren rückläufig ist – eine Entwicklung, die ohne zusätzliche Werbeverbote stattgefunden hat. Ebenso fehlt eine differenzierte Darstellung der wissenschaftlichen Bewertung zur Wirksamkeit von Werbeverboten.
Die vom BR produzierte ARD-Serie hat in der Branche eine Debatte über die Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflichten entfacht. Der Deutsche Brauer-Bund (DBB) als Dachverband der Brauwirtschaft bemängelt, dass die Serie einseitig über die Rolle der Wirtschaft berichte und wissenschaftliche Ergebnisse zugunsten einer bestimmten Erzählung verzerrt dargestellt werden. „Es stellt sich die Frage, ob die Autoren des Fernsehbeitrags die Studie, über die sie berichten, überhaupt gelesen haben“, so Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des DBB.
Auch der Dachverband der deutschen Werbewirtschaft kritisiert die Berichterstattung scharf: „Die Autoren der zitierten Meta-Studie kommen in ihren nachlesbaren Ausführungen gerade nicht zu dem Schluss, dass ein Verbot des Alkoholmarketings die geeignete Lösung zur Reduzierung des Alkoholkonsums ist“, sagt Dr. Bernd Nauen, Hauptgeschäftsführer des ZAW. Es sei irritierend, „dass eine öffentlich-rechtliche Berichterstattung diese wesentliche Erkenntnis unter den Tisch fallen lässt und sogar ins Gegenteil verkehrt“.