Seit Mitte März ist die Gastronomie in Deutschland geschlossen. Zahlreiche Betreiber befinden sich am Rande ihrer wirtschaftlichen Existenz oder haben bereits Insolvenz angemeldet. Perspektiven für einen Neustart gibt es keine. Gaststätten zählten zu den ersten Betrieben, die durch staatliche Maßnahmen geschlossen wurden, und es ist zu befürchten, dass Gasthäuser und Kneipen die letzten sein werden, die wieder öffnen dürfen. Der Deutsche Brauer-Bund (DBB) kritisiert, weder die Bundesregierung noch die Länder oder die sie beratenden wissenschaftlichen Einrichtungen seien bisher in der Lage, eine zeitliche Perspektive für mögliche Lockerungen zu nennen.
Forderung nach Rettungsfonds
An der Seite des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) setzt sich der Brauer-Bund seit Wochen dafür ein, schnell wirkende, zielgerichtete Hilfsmaßnahmen für die Gastronomie zu erreichen, die geeignet sind, die Liquidität der Betriebe zu erhöhen und Insolvenzen abzuwenden. In einem Schreiben an Mitglieder der Bundesregierung und des Bundestages unterstützt DBB-Präsident Dr. Jörg Lehmann die Forderungen nach einem Hilfs- bzw. Rettungsfonds für die Gastronomie, um eine Pleitewelle abzuwenden.
Wie nochmals bestätigt wurde, arbeiten Bundeswirtschaftsministerium und Bundesfinanzministerium intern an einem Maßnahmenpaket für Gastronomie und Tourismuswirtschaft, das in Eckpunkten eigentlich bis Ende der Woche kommuniziert werden sollte. Jedoch bestehen zwischen Bund und Ländern sowie den Berliner Regierungsfraktionen noch unterschiedliche Vorstellungen über das Vorgehen. Die Spitzen der Großen Koalition treffen sich am Mittwochabend, 22. April, zu Beratungen im Bundeskanzleramt, Ergebnisse der Koalitionsrunde sollen am Donnerstag mitgeteilt werden.
Steuersenkung und mehr Kurzarbeitergeld
Im Mittelpunkt stehen Überlegungen um eine zumindest vorübergehende Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes. Während CDU und CSU die Maßnahme mehrheitlich unterstützen und sich auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein Haus offen dafür zeigen, äußerte sich der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans heute ebenso zurückhaltend wie der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich. Gastgewerbe und Gastronomie gehörten mit Sicherheit zu den Branchen, die jetzt Hilfe benötigten, über den genauen Weg müsse es aber noch Diskussionen geben, sagte Walter-Borjans, der vor Staatshilfen „mit der Gießkanne“ warnte. Zuvor hatte sich auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) als einer von wenigen Unionspolitikern gegen eine Steuererleichterung ausgesprochen.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist, nicht allein mit Blick auf die Gastronomie, eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes. Hierfür hat sich nach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (beide SPD) ausgesprochen. Gerade für Gastronomie und Tourismus wäre die Anhebung des Kurzarbeitergeldes „ein wichtiger Schritt“, so Schwesig. Die CDU/CSU sieht dies kritisch und verknüpft das Kurzarbeitergeld mit ihren Forderungen zur Grundrente. Derzeit erhalten Beschäftigte in Kurzarbeit 60 Prozent – mit Kindern 67 Prozent – des Nettoverdienstausfalles. In einigen Branchen stocken die Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld nach tariflichen Vereinbarungen auf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat vorgeschlagen, die staatlichen Zuschüsse auf 80 Prozent (87 Prozent bei Arbeitnehmern mit Kindern) für die Monate Mai, Juni und Juli aufzustocken.
Keine zeitliche Perspektiven für Öffnung
Weiterhin kaum Bewegung und keine zeitliche Perspektive gibt es in der Diskussion über eine Öffnung der Gastronomie. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte am Montag dieser Woche in einer Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums vor „Öffnungsdiskussionsorgien“. Die Debatte über weitere Lockerungen sei nicht hilfreich, der Spielraum für das Gesundheitssystem noch immer sehr klein.
Während Schleswig-Holsteins Regierung bereits ein Konzept für die Rückkehr zum Tourismus und zur Öffnung der Gastronomie nach dem 30. April vorgelegt hat, lehnt Bayern eine Diskussion über Lockerungen für das Gastgewerbe weiter ab. Jeder, der einen Fahrplan verspreche und meine, unabhängig vom Infektionsgeschehen ein Datum nennen zu können, setze sich dem Vorwurf aus, „dass er nicht den gesamten Ansatz der Dramatik verstanden hat“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Seine Zurückhaltung bei der Öffnung der Gastronomie begründete er unter anderem damit, dass ein Mundschutz sich schlecht mit dem Essen vereinbaren lasse und Alkoholkonsum nicht mit Abstandhalten. Er hoffe, so Söder, „dass wir bis Pfingsten deutlich bessere Signale haben – das ist aber eine Hoffnung, das ist kein fester Fahrplan“.