Der Onlinehandel für Lebens- und Genussmittel boomt. Nach Jahren des Wachstums hat die Pandemie der Branche noch einmal einen starken Schub versetzt – getrieben insbesondere von Big Playern wie Rewe, Flaschenpost oder Gorillas. So legte der E-Commerce mit Lebensmitteln allein 2021 um fast 37 Prozent zu. Übertroffen wird er aber noch vom digitalen Weinhandel: Er erzielte im ersten Pandemiejahr 2020 ein Umsatzplus von 64 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, die der international aufgestellte Logistikanbieter Fiege vorgelegt hat.
Demnach stieg nicht nur die Anzahl der Onlinekäufer, auch die Höhe der Ausgaben wuchs seit Pandemiebeginn enorm. Laut Erhebungen von Nielsen IQ hat der Online-Anteil am Weinverkauf sich 2021 gegenüber dem Vorjahr von rund neun auf etwa elf Prozent erhöht. Entsprechend positiv äußern sich auch namhafte Protagonisten des Geschäfts – wie etwa Hawesko, die für 2021 den höchsten Gewinn ihrer Firmengeschichte meldeten und diesen vor allem auf das beachtliche Wachstum bei den Onlinekäufen zurückführten. Der Umsatz dieses Geschäftsbereichs sei im vergangenen Jahr um 17 Prozent gestiegen, teilte das Unternehmen in seiner Jahresbilanz mit.
Über ein „deutliches Umsatzwachstum“ berichtet auch Rotkäppchen-Mumm mit Blick auf seine Tochtergesellschaft Ludwig von Kapff, die das Onlinegeschäft managt. „Täglich kommen in unserem Onlineshop neue Kunden hinzu, darüber hinaus ist die Zahl der Bestandskunden gewachsen“, betont eine Unternehmenssprecherin. Man gehe davon aus, dass sich die positive Entwicklung auch künftig fortsetze, „allerdings nicht mehr auf dem Niveau der vergangenen zwei Jahre“.
Nachfrage überstieg Lagerkapazitäten
Besonders steil bergauf ging es in den letzten Jahren für „Lobenbergs Gute Weine“. Von 2018 bis 2021 habe sich der Umsatz des Unternehmens von 15 auf rund 45 Millionen Euro verdreifacht, fasst Marketingchef (CMO) Thiemo Kausch den Erfolg zusammen. Zugleich stieg die Zahl der Mitarbeiter von 15 auf fast 60. Zeitweise überstieg dabei die Nachfrage sogar die Lagerkapazitäten. „Wir konnten gar nicht so stark wachsen, wie es möglich gewesen wäre“, so Kausch. Die Lieferzeiten hätten sich verlängert, man musste Kampagnen auf Eis legen. Ein Quantensprung kam in der zweiten Jahreshälfte 2021: Seitdem arbeitet Lobenbergs mit Fiege als Logistiker zusammen, der auch ein sehr großes, erweiterbares Lager zur Verfügung stellt.
Dabei war es nicht erst die Corona-Pandemie, die bei dem Bremer Unternehmen den Wachstumsschub auslöste. Vielmehr entschieden sich die Inhaber bereits beim Eintritt von Junior Luca Lobenberg als Geschäftsführer 2018, sich nicht mit dem bestehenden Stand zufrieden zu geben, sondern ihr Geschäft noch einmal auf ein ganz neues Level zu heben – mit dem Ziel, „Marktführer im Premiumsegment zu werden“, erklärt Thiemo Kausch. Mithilfe umfangreicher Marketingmaßnahmen wurden der Markenkern geschärft und zahlreiche Neukunden gewonnen.
Neben den bekannten Händlern sind inzwischen auch die meisten Winzer ins Onlinegeschäft eingestiegen. Laut der Fiege-Studie haben 77 Prozent der deutschen Weingüter bereits einen eigenen Onlineshop. Dabei unterscheiden sich allerdings die Anbieter deutlich in ihren Services. Den Händlern könne in Summe „ein höherer Reifegrad“ attestiert werden, heißt es. Dies zeige sich unter anderem in der Anzahl der im Durchschnitt angebotenen Zahlarten, den im allgemeinen deutlich geringeren Versandkosten und einem niedrigeren Schwellenwert für kostenfreie Lieferungen.
Weintypische Marktplätze beliebter als Amazon
„Bemerkenswert“ für die Studienmacher ist zudem, dass viele Weingüter neben dem eigenen Onlineshop ganz bewusst auf Marktplätze setzen, um von deren höherer Reichweite zu profitieren. „Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen spielt Amazon im Weinhandel für die Winzer aber nur eine untergeordnete Rolle“, unterstreicht Franziska Kier, Autorin der Studie. Bei den Winzern hoch im Kurs stünden indessen die Marktplätze „Vicampo“ und „Wir Winzer“; darüber verkauften 77 bzw. 72 Prozent der untersuchten Weingüter ihre Produkte.
Unklar ist indessen, in welchem Maße sich der Ukraine-Krieg und seine wirtschaftlichen Folgen auf das Online-Geschäft noch auswirken werden. Bei Lobenbergs verzeichne man jetzt bereits Verkäufe „etwas unter den kalkulierten Erwartungen“, räumt Marketingchef Thiemo Kausch ein. Angesichts der hohen Inflation und unter Druck stehender Aktienmärkte sei auch in dem gehobenen Preissegment die Kaufzurückhaltung spürbar. Zudem sei manchen Konsumenten in diesen bedrückenden Zeiten vielleicht auch die Lust auf teure Weine vergangen, vermutet er.
An dem generellen Potenzial zweifelt er aber nicht. Es liege „in der Natur der Sache“, dass der Onlinehandel weiter nachhaltig wachse. „Der Kauf ist bequem, man muss nicht mit dem Auto irgendwohin fahren.“ Zudem spreche für den digitalen Weinkauf die riesige Auswahl: Mehr als 5.500 verschiedene Weine bietet Lobenbergs an, eine Anzahl, die kein stationärer Handel auch nur ansatzweise bereithalten kann.
Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft
Darüber hinaus sind die Möglichkeiten spezieller Services und moderner Tools zur Kundenbindung noch lange nicht ausgeschöpft. Sowohl Händler als auch Weingüter arbeiten beispielsweise schwerpunktmäßig mit Newslettern, während etwa Abo-Modelle, wie sie zum Beispiel im Beauty-Sektor massiv an Bedeutung gewinnen, in den Online-Weinhandel erst langsam einziehen. Immerhin 23 Prozent der Händler bieten sie bereits an, Weingüter sind da allerdings deutlich zögerlicher.
Viele ungenutzte Chancen halten auch die sozialen Medien bereit, das betont Frank R. Schulz, Abteilungsleiter Kommunikation beim Deutschen Weininstitut (DWI). Das „Social Selling“ habe „enorm an Fahrt aufgenommen“, glaubt er. „Immer mehr Shops schaffen sich mit Facebook, Instagram & Co ein zusätzliches digitales Verkaufs-Standbein.“ Diese Netzwerke würden von immer mehr Playern der Weinbranche nachgefragt und als mittelbare Verkaufskanäle mit attraktivem Content eingesetzt.
Manche Konzepte nutzen sogar die Vorteile beider Welten, wie die zur Eggers & Franke Gruppe gehörige Rotkäppchen-Mumm-Tochter Ludwig von Kapff: Im Oktober 2020 eröffnete der Onlinehändler am Standort Eltville im Rheingau die erste „Filiale der Zukunft“, einen hochmodernen Weinladen, der Online- und Offline-Einkaufen verbindet. Wie in jedem stationären Geschäft können hier persönliche Beratung und Verkostungen angeboten werden. Zugleich bietet der Shop digitale Technik, die die Weinauswahl deutlich erleichtern kann. Die zweite Filiale ist gerade im Bau und soll Mitte Juli in Bremen an den Start gehen.
Über die zitierte Studie:
Wo steht der digitale Weinhandel Deutschlands in seiner Entwicklung, welche Serviceleistungen sind charakteristisch und welche Trends zeichnen sich ab? Um diesen Fragen nachzugehen, hat das E-Commerce-Team des international aufgestellten Logistikunternehmens Fiege mit Stammsitz im westfälischen Greven 65 deutsche Weingüter und 30 Onlinehändler unter die Lupe genommen.
Sie wurden mit Blick auf zahlreiche E-Commerce-relevante Faktoren bewertet wie zum Beispiel die Nutzung unterschiedlicher digitaler Vertriebskanäle (E-Shop, Apps, Marktplätze), die angebotenen Zahlungs- und Versandmodalitäten, Maßnahmen der digitalen Kundenbindung und das Angebot weinspezifischer Service-Leistungen wie etwa Probierpakete oder Rezeptempfehlungen.
Fiege stellt die Studie hier zum Download zur Verfügung.