Nach dem pandemiebedingten Absturz starten die Märkte wichtiger Industrienationen in Asien wieder richtig durch. Mit der Folge, dass weltweit die Energiepreise steigen. Insbesondere Erdgas ist so teuer wie nie – wie auch die Getränkebranche leidvoll erfahren muss, wo der Kostendruck an vielen Stellen noch weiter steigt.
Über die erwartbaren Folgen hinaus kündigen sich damit Probleme an, die kaum in der Öffentlichkeit diskutiert werden, aber Branchenexperten in Logistik und Beschaffung in Atem halten: die Verknappung des Diesel-Schadstoffreinigers Ad Blue, die insbesondere Fachgroßhändler mit Streckenlogistik beschäftigt, und ein Mangel an CO2, der vor allem für Mineralbrunnen und Limonadenhersteller zum Problem werden könnte.
In beiden Fällen hängt die Verfügbarkeit – über Umwege – von der Entwicklung des Gaspreises ab: Zur Herstellung von Ad Blue wird Ammoniak benötigt, und die Ammoniak-Produktion erfordert Erdgas. Auch CO2 entsteht bei der Herstellung von Ammoniak; größter Lieferant ist die Düngemittelindustrie, wo die Kohlensäure als Abfallprodukt entsteht. Wenn hier die Produktion gedrosselt wird, fehlt auch CO2.
Verzögerungen im Transport drohen
Vor dem Ad-Blue-Mangel warnte Ende Oktober bereits der Schmierstoffhändler Obereder: Einige Erzeuger hätten bereits die Produktion eingestellt oder dies zumindest angekündigt, teilte das Unternehmen mit. Ohne den Schadstoffreiniger müssten Lkw in den Notbetrieb und es könne zu erheblichen Verzögerungen im Transport kommen. „Das Resultat sind Versorgungsengpässe in vielerlei Bereichen“, unterstreicht Geschäftsführer Andreas Obereder. Seit Jahresbeginn hätten sich die Preise für Ad Blue bereits verdoppelt.
Das bestätigt Michael Stadlmann, CEO bei dem führenden Streckenlogistiker Trinks, der in den vergangenen Monaten einen „steilen Preisanstieg“ beobachtet hat. Bislang hielten sich bei Trinks aber die Auswirkungen noch in Grenzen. „Von einem echten Mangel, der zu Umwegen für die Versorgung oder gar zu Ausfallzeiten des Fuhrparks geführt hätte, waren wir bisher nicht betroffen.“ Dies sei allerdings auch den langjährigen Lieferantenbeziehungen zu verdanken, die sich das Unternehmen in der Diesel- und Ad-Blue-Versorgung aufgebaut habe.
Die weltweiten Lieferketten seien stark gestört, beobachtet auch Heiko Arnold, Leiter des Strategischen Einkaufs bei der Winkels Holding. Bisher könne sein Lieferant aber noch liefern, wenn auch die Preise „durch die Decke schießen“. Als Unternehmen, das in der Grundversorgung unterwegs sei, werde man immerhin bevorzugt bedient.
Weniger Classic-Sprudel abgefüllt
Stärkere Kopfzerbrechen bereitet Arnold indessen die Verknappung von CO2, das für die Brunnenbetriebe unter dem Winkels-Dach essenziell ist. Hier habe man bereits Engpässe erlebt, war beispielsweise gezwungen, zeitweise die Abfüllung von Classic-Sprudel auf Medium umzustellen – Lieferschwierigkeiten gegenüber dem Lebensmittelhandel inklusive. Auch hier sind die Preise, wie Arnold berichtet, drastisch gestiegen, hätten sich ebenfalls beinahe verdoppelt. Eine Lösung wäre für Winkels möglicherweise, vom Single Sourcing auf mehrere Lieferanten umzustellen. Doch dies gestalte sich derzeit schwierig, da mögliche neue Partner zunächst ihre Bestandskunden bedienen wollten.
Auf mehrere Lieferanten setzt länger bereits die Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB), da sie ihrerseits viele ihrer Mitglieder mit Kohlensäure beliefert. Gleichwohl sei die Lage im Einkauf „angespannt“, es sei eines von den „schwierigen Themen“, berichtet Pressesprecher Tobias Bielenstein. Für Nervosität oder gar Panik gebe es aber noch keinen Anlass. Wenn in der bevorstehenden kalten Jahreszeit weniger Erfrischungsgetränke konsumiert würden, gehe auch der CO2-Bedarf zurück. Darüber hinaus bleibe nur, auf eine Entspannung der Energiepreise zu hoffen.
Ähnlich sieht es auch Trinks-Chef Michael Stadlmann, was die Versorgung mit Ad Blue angeht. Die jüngsten Nachrichten zur Entwicklung der Gaspreise stimmten ihn mittlerweile etwas optimistischer, resümiert er. „Erstmal abwarten“, lautet also vielerorts die Devise – eine Haltung, in der sich während der Corona-Pandemie viele zwangsläufig immer wieder üben mussten.