Seit Jahren stößt das Mehrwegsystem immer wieder an seine Grenzen. Die hohe Individualisierung bei Flaschen und Kästen belastet in den Spitzenzeiten die Sortierung in der Getränkelogistik massiv. Um die erhöhte Komplexität zu reduzieren und das Mehrwegsystem besser managen zu können, gründeten die Brauer 2020 gleich zwei neue Mehrweg-Flaschenpools: Im September wurde der Mehrwegpool der Brauwirtschaft (MPB) als Genossenschaft ins Leben gerufen, bereits einige Monate zuvor die Gesellschaft für Mehrweg-Management (Gemema).
Der wesentliche Unterschied zwischen den Pools: Bei der MPB-Genossenschaft gehören die Poolflaschen der Genossenschaft und dürfen nur von den Mitgliedern befüllt werden. Bei der Gemema kann jeder im Markt die Flaschen verwenden, die Gesellschafter haben sich zur Poolpflege verpflichtet. Gründungsmitglieder der MPB sind der Bayerische Brauerbund, der Brauereiverband NRW und die Sozietät Norddeutscher Brauereiverbände sowie die Brauereien Cölner Hofbräu Früh, Dithmarscher Brauerei, Hofbrauhaus Wolters, Bolten, Zötler und Schneider Weisse. Die Gemema wurde von Bitburger, Krombacher, Radeberger und Warsteiner gegründet. Eine Zusammenarbeit der beiden Pools kam nicht in Frage, die Verhandlungen hierzu scheiterten. Doch wo stehen MPB und Gemema heute?
Neue Mitglieder gewonnen
Trotz der erschwerten Rahmenbedingungen aufgrund der Pandemie konnten beide Pools in den vergangenen zwei Jahren Mitglieder gewinnen. Mit den Brauereien Eichbaum und Dinkelacker-Schwaben Bräu sowie dem Baden-Württembergischen Brauerbund schlossen sich Anfang 2021 drei Akteure der MPB an. Die Gemema meldete Ende 2021 die Störtebeker Braumanufaktur als neuen Gesellschafter, vor wenigen Wochen kam die Auricher Süssmost GmbH dazu. Die Verträge der Gemema wurden zwischenzeitlich überarbeitet und standardisiert: Alle Neuglasquoten seien erst einmal ausgesetzt worden, bis die wirtschaftliche Situation wieder überschaubar sei, erklärt Gemema-Geschäftsführer Hans Baxmeier.
Im ersten Quartal 2021 gründete die Gemema den Mehrwegpool für die 0,33-Liter-Longneck-Flasche. Zunächst wurde eine neue Standardflasche mit einem kleinen Embossing am unteren Rand konzipiert. Diese ging Mitte 2021 bei den größten deutschen Glashütten in Produktion. Seit dem dritten Quartal 2021 werden die Gemema-Flaschen in den Farben Weiß, Grün und Braun in den Markt gebracht. Die Radeberger Exportbierbrauerei verabschiedete sich als erste von ihrer Individualflasche und stellte das 0,33-Liter-Gebinde für Radeberger Pilsner auf die Longneck-Poolflasche um.
Millionen Pool-Flaschen bereits im Markt
Wie viele der neuen Flaschen heute bereits im Markt sind, konnte der Gemema-Geschäftsführer auf Anfrage von Getränke News nicht konkret beantworten. „Die Gemema-Teilnehmer beziehen, seit es produktionstechnisch möglich ist, diese Flasche mit dem kleinen Embossing. Das allein sind Millionen. Dazu kommen diejenigen Abfüller, die diese Flasche bezogen haben, weil die Glashütte nur eine Form der 0,33-Liter-Flasche nutzt – nämlich unsere. Wie viele das sind, können wir gar nicht sagen“, so Baxmeier. Mit anderen Worten: Jede Brauerei, die seit Ende letzten Jahres 0,33-Liter-Longneck-Flaschen bei diesen Glashütten kauft, bekommt die Gemema-Flasche.
Keine MPB-Flaschen in Umlauf
Beim Mehrwegpool der MPB ist bislang wenig passiert. Flaschen sind noch keine im Umlauf. Auf Nachfrage erklärt MPB-Geschäftsführer Peter Hahn, dass der Verwenderkreis erstmals am 17. November im Rahmen einer Informations- und Arbeitstagung in Frankfurt am Main zusammenkommt. Mit der Teilnahme am Gemeinschaftspool sei damit für jede Brauerei die Möglichkeit eröffnet, sich an der Errichtung des Pools und seiner Pflege satzungsgemäß zu beteiligen. Die Genossenschaftsmitglieder bestimmten dann gemeinschaftlich und partnerschaftlich die Inhalte der Verwendungsbestimmungen für die jeweiligen Poolgebinde und Gemeinschaftsflaschen, so Hahn. Festgelegt werde, welche Einschleusungs- und Ausschleusungsquoten sowie technischen Qualitäten für die verwendeten Flaschen gelten sollen.
Poolmanagement von Mehrweg-Geschirr
Die Genossenschaft MPB soll sich zwischenzeitlich auch noch für ein anderes Thema interessiert haben: Unter dem Projektnamen „Reusable to go“ beschäftigt sich eine Initiative mit dem Poolmanagement von Mehrweg-Geschirr für die Gastronomie sowie Mehrweg-Kaffeebechern. Hintergrund ist, dass ab 2023 Caterer, Lieferdienste und Restaurants gesetzlich verpflichtet sind, neben den bisher üblichen Einweg- auch Mehrwegbehälter für Speisen und Getränke anzubieten.
Die Initiative, zu der unter anderem der Dehoga und andere namhafte Verbände gehören, will künftig die bestehenden Anbieter von Mehrweg-Geschirr auf einer Plattform zusammenführen und damit den Verbrauchern ermöglichen, ihr Geschirr überall zurückzugeben. Inzwischen soll jedoch das Interesse der MPB an dem Projekt deutlich nachgelassen haben, so ein Insider gegenüber Getränke News. Eine Nachfrage bei MPB-Geschäftsführer Peter Hahn bestätigt dies: „Die MPB eG sieht es als ihre Aufgabe an, sich vorrangig und ausschließlich operativ mit der Nutzung und Revitalisierung von Standardmehrweggebinden für die Brauwirtschaft zu befassen.“
Weitere Pools am Start
Während also der Mehrwegpool der MPB noch nicht so richtig in Gang kommt, plant die Gemema – für die 0,5-Liter-Longneck-Flasche – bereits den zweiten Pool. Er soll 2023 an den Start gehen. Weitere Pools seien in Planung. „Wir haben den Prozess der Poolgründung ziemlich standardisiert. Das heißt nicht, dass jeder Pool konform handeln muss, aber der Prozess zur Poolgründung wird immer gleich sein“, erklärt Gemema-Chef Baxmeier. „Die Standardverträge liegen vor und können von den rechtlich selbstständigen Poolgesellschaften sinnvoll angepasst werden.“
Eine Modifikation der bestehenden Poolflasche könne vorgenommen werden, müsse aber nicht. Wichtig sei, dass die Modifikationen den bestehenden Produktionsprozess nicht be- oder verhindern, da Alt- und Neuflaschen gemeinsam abgefüllt werden. „Wir wissen, dass ein hohes Interesse auch bei anderen Pools besteht. Mit dem oben beschriebenen Weg kann das von uns aus sehr schnell gehen. Es bleibt die Frage nach der wirtschaftlichen Gesamtlage“, so Baxmeier.