Die Corona-Pandemie hat die GES als gastronomieorientierte Verbundgruppe weit zurückgeworfen. 2022 stieg der Umsatz aber wieder und lag sogar deutlich über dem Niveau von 2019. Getränke News sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Ulrich Berklmeir über die Herausforderungen der Branche in schweren Zeiten.
Getränke News: Die Corona-Pandemie hat die GES als gastronomieorientierte Verbundgruppe stark zurückgeworfen: 2020 ging Ihr Zentralregulierungsumsatz von gut einer Milliarde Euro auf 721 Millionen Euro zurück. In welchem Maße hat sich die Lage inzwischen wieder stabilisiert?
Berklmeir: Die GES hat sich im vergangenen Jahr sehr positiv entwickelt. 2022 lag unser Zentralregulierungsumsatz bei 1,15 Milliarden Euro. Gegenüber dem besonders schweren Pandemiejahr 2020 entspricht das einem Zuwachs von 60 Prozent. Inzwischen hat sich die GES nicht nur erholt, sondern wächst auch organisch: Im Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 verzeichnen wir ein Plus von 15 Prozent.
Getränke News: Worauf führen Sie die positive Entwicklung zurück?
Berklmeir: Viele unserer bestehenden Mitglieder haben beim Umsatz zugelegt, insbesondere größere und mittlere Unternehmen. Zudem haben wir, wie jedes Jahr, auch 2022 neue Mitglieder hinzugewonnen. Auch unsere eigenen Beteiligungen hatten einen großen Einfluss auf das gute Ergebnis. So lag der Gastronomieumsatz des Potsdamer Fachgroßhändlers Horst Lehmann Getränke, an dem wir vor einem Jahr die Mehrheitsanteile erworben haben, über dem von 2019. Damit wurden unsere Erwartungen übertroffen.
Getränke News: Die GES ist also zur alten Form zurückgekehrt?
Berklmeir: Wir sehen uns hervorragend aufgestellt. Unter den Verbundgruppen sind wir mittlerweile die einzige konzernunabhängige Organisation. Das hat große Bedeutung für die selbständigen, inhabergeführten Fachgroßhändler. Bei Organisationen mit Industriebeteiligung fühlen sich viele Händler nicht mehr zu Hause. Sie wollen ihre Vermarktung nicht dorthin abgeben oder ihre Daten vollständig an sie übermitteln. Warum sollten sie das auch, wenn es eine neutrale Alternative gibt?
Getränke News: Zwei Drittel Ihrer Mitglieder sind gastronomieorientiert. Wie weit hat sich die Lage in der Gastronomie inzwischen entspannt?
Berklmeir: Pauschal ist das nicht zu sagen. Gerade in den ländlichen Gebieten gab es Geschäftsaufgaben, allerdings vermutlich eher wegen des Arbeitskräftemangels als wegen der Pandemie. Erfreulich ist hingegen, wie gut die Trend- und Szenegastronomie und auch Restaurants in den Großstädten die Pandemie überstanden haben. Da sind die guten Kunden unserer Mitglieder überwiegend noch am Markt. Auch das kann man zum Beispiel gut bei Horst Lehmann Getränke ablesen: Die Kundenliste sieht aus wie vor Corona, und es kamen sogar noch neue Kunden hinzu.
Auch die allermeisten unserer gastronomieorientierten Mitglieder haben erneut bewiesen, dass sie widerstandsfähig sind und Krisen meistern können. Der Fachhandel hat gezeigt, dass er in Logistik und Kundenansprache unschlagbar ist. In manchen Bereichen gab und gibt es große Probleme mit der Warenverfügbarkeit, sowohl beim Bier als auch bei vielen bekannten Spirituosenmarken. Mit ihrer großen Sortimentstiefe sind die Fachhändler aber in der Lage, passende Alternativen anzubieten. Eine weitere Stärke sind die oft langjährig gefestigten Kundenbeziehungen; sie helfen natürlich, wenn es darum geht, Probleme der Hersteller zu kommunizieren und gemeinsam zu bewältigen.
Getränke News: Und wie lief nach Ihrer Kenntnis das Jahr für Ihre Mitglieder, die vor allem im Einzelhandel tätig sind?
Berklmeir: Nach der Wiedereröffnung der Gastronomie hat die Dynamik des Vorjahrs im Handel erwartungsgemäß etwas nachgelassen, aber die Entwicklung war weiterhin positiv.
Getränke News: Wie hat sich das eigene Warengeschäft der GES 2022 entwickelt?
Berklmeir: Auch da lagen wir 2022 deutlich im Plus. Der Umsatz des Bremer Spirituosen Contors stieg von 166 Millionen Euro im Vorjahr auf 217 Millionen Euro. Der Schokoring erzielte einen Umsatz von 60 Millionen Euro – nach 56 Millionen Euro im Vorjahr.
Der Zwischenhandel ist heute ein wichtiges Standbein für die GES. Wir haben neben den Gastronomiefachhändlern eine sehr breite Kundenstruktur von mittelständischen Onlinehändlern, über Fachmarktbetreiber bis zu spezialisierten Einzelhändlern. Unsere logistische Stärke in diesem Bereich ist die Feinkommissionierung – das heißt, man kann hochwertige Spirituosen auch in Einzelflaschen bestellen – und erhält innerhalb eines, maximaler zweier Tage die Ware. Auch Spezialitäten, die anderswo nicht erhältlich sind.
Getränke News: Wie fällt Ihre Bilanz ein Jahr nach Übernahme von Horst Lehmann Getränke aus, wie wichtig ist für Sie dieses Geschäft?
Berklmeir: Als sehr bedeutender Fachhändler in Berlin hat Horst Lehmann Getränke für uns und auch unsere Lieferanten eine große strategische Bedeutung. Entwicklungen in Berlin lassen allgemeine Schlüsse auf Trends in allen Getränkesegmenten zu: Konzepte und Vermarktungsmöglichkeiten, die in Berlin erfolgreich sind, können für alle unsere Mitglieder relevant sein und dort umgesetzt werden.
Zudem ist das Geschäft für uns eine wichtige Ergänzung, weil wir uns längst nicht mehr nur als Abrechnungsorganisation verstehen. Als unsere Standbeine definieren wir heute, neben dem traditionellen Abrechnungsgeschäft mit unseren Mitgliedern, das eigene Warengeschäft, die Gastronomie-Belieferung in Berlin und das weite Feld der Digitalisierung. Das heißt, wir stellen uns im Sinne der Diversifizierung breit auf – mit Themen, die zu unserem Kerngeschäft passen. Das zeichnet die GES aus.
Getränke News: Apropos Digitalisierung – wie hat sich in den letzten Jahren ihre Bestellplattform für den gastronomieorientierten Fachhandel Octopus entwickelt?
Berklmeir: Während der Gastronomie-Schließungen lag das Augenmerk der Gastronomen natürlich nicht auf diesen Systemen. Vor diesem Hintergrund war aber Octopus 2022 sehr erfolgreich. Wir hatten 183.000 Bestellungen über die Plattform und haben damit insgesamt fast 100 Millionen Euro Umsatz erzielt. Mehr als 180 Händler bieten inzwischen ihren Kunden an, über Octopus zu bestellen. Das ist weit mehr als bei den konkurrierenden Plattformen.
Für den März planen wir ein Update, das Octopus in seinen Vermarktungsmöglichkeiten für Händler und Hersteller auf ein neues Level heben wird. Doch auch unabhängig davon wird die Plattform in diesem Jahr voraussichtlich weiterwachsen: Allein im Januar liefen rund 20.000 Bestellungen über Octopus. Wenn man das hochrechnet, kommt man auf weit über 200.000 Bestellungen im Jahr 2023 – und das ist noch niedrig angesetzt, da der Januar für gewöhnlich in der Gastronomie ein sehr ruhiger Monat ist. Das Potenzial ist also insgesamt noch riesig.
Über die GES:
Die GES (Großeinkaufsring des Süßwaren- und Getränkehandels eG) ist ein Verbund von mittelständischen Getränkefachgroßhändlern und filialisierten Getränkemarktbetreibern, Convenience-Fachgroßhändlern und Automatenbetreibern aus dem gesamten Bundesgebiet.
2022 lag der Zentralregulierungsumsatz der Verbundgruppe bei 1,15 Milliarden Euro und damit um 30 Prozent über dem Vorjahr. Die stärkste Warenkategorie sind Spirituosen und Schaumweine mit 657 Millionen Euro Umsatz. Es folgen Bier mit 217 und Alkoholfreie mit 162 Millionen Euro. Auf die Segmente Wein und Convenience entfielen 61 bzw. 53 Millionen Euro.