Die Überproduktion beim Hopfen bei gleichzeitig sinkender Nachfrage belastet die Hopfenwirtschaft. Hinzu kommen neue Konsumgewohnheiten, die den Biermarkt verändern sowie steigender Kostendruck. Im Interview mit Getränke News erklärt Thomas Raiser, Geschäftsführer des weltgrößten Hopfenhändlers Barth Haas, wie die Branche darauf reagiert – und wo Chancen liegen.

Getränke News: Der Barth Haas-Bericht zeigt: Die weltweite Hopfenanbaufläche ist 2024 erneut stark zurückgegangen. Woran liegt das?
Raiser: Der Rückgang ist Folge eines strukturellen Überangebots am Hopfenmarkt. Weltweit haben wir inzwischen zu viel Hopfen geerntet, der zwar vorvertraglich verkauft, aber noch nicht verbraucht wurde. Hinzu kommen steigende Produktionskosten und eine sinkende Nachfrage, vor allem durch veränderte Biertrends. All diese Faktoren zwingen die Hopfenbauern, Flächen zu reduzieren, um den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Getränke News: Deutschland ist trotz Rückgang wieder das größte Hopfenanbauland der Welt. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Raiser: Das ist für Deutschland zunächst positiv, ist aber nicht unbedingt ein Zeichen der Stärke, sondern eine Folge noch vorhandener Vorverträge, die mit der Ernte 2025 auslaufen. Die USA sind hier vorangegangen, aber auch Deutschland muss seinen Teil zur Flächenanpassung beitragen, ein Weg, der mit den Reduzierungen im Jahr 2025 nun auch begonnen wurde.. Trotz der Vorverträge, die viele Pflanzer noch vor stärkeren Reduzierungen schützten, stehen die Betriebe aber unter hohem wirtschaftlichen Druck durch höhere Kosten, Fachkräftemangel und wachsende Anforderungen an Nachhaltigkeit und Zertifizierung.
Getränke News: Der weltweite Biermarkt war 2024 fast stabil. Täuscht das über größere Probleme hinweg?
Raiser: Absolut. Die Zahl klingt stabil, aber sie verschleiert enorme regionale Unterschiede. Viele Märkte liegen deutlich hinter den Erwartungen, und geopolitische Krisen, Handelskonflikte oder ein verändertes Konsumverhalten belasten die Branche stark. Insbesondere die USA, China und große Teile Europas haben teilweise deutliche Rückgänge gemeldet. Gleichzeitig sehen wir in Afrika oder einigen Märkten in Lateinamerika weiterhin Wachstum. Insgesamt bleibt die Bierbranche jedoch von hoher Volatilität geprägt, was die Planung für Brauereien und Rohstofflieferanten erschwert.
Getränke News: Deutschland ist im Ranking der größten Biernationen vom fünften auf den sechsten Platz abgerutscht…
Raiser: Ein wesentlicher Grund für das Abrutschen Deutschlands im Ranking ist, dass Russland 2024 deutlich mehr eigenes Bier produziert und weniger importiert hat, auch weniger aus Deutschland. Russland hat seine Bierproduktion um rund neun Prozent gesteigert während sie in Deutschland um ein Prozent sank und Deutschland damit überholt.
Getränke News: Aktuell geht der Trend zu Bieren mit weniger Hopfen. Was bedeutet das für Ihr Geschäft?
Raiser: Mainstream-Biere, brauchen weniger Hopfen als die bis vor Kurzem gerade in den USA sehr beliebten „hop-foward“ Biere, wie z.B. Pale Ales und IPAs. Selbst im Craft-Bereich werden weniger bittere, ausgewogenere Biere nachgefragt. Für Barth Haas bedeutet das, wir müssen unsere Produktentwicklung immer stärker auf Aromaeffizienz, Nachhaltigkeit und neue Anwendungen im Bereich No- und Low-Alkohol fokussieren.
Getränke News: Stichwort Craftbier: Lässt der Boom auch in den USA endgültig nach?
Raiser: Ich würde nicht sagen, dass der Craftbier-Boom vorbei ist, aber er verändert sich. Viele Konsumenten in den USA suchen inzwischen wieder nach klassischen Bieren, teils auch, weil die Kaufkraft sinkt. Außerdem hat die Branche ihre Lektion aus den extrem gehopften IPA-Welle gelernt. Viele Craft-Brauer setzen jetzt auf untergärige Stile und auf Biere mit hoher Drinkability. Craft bleibt jedoch eine wichtige Innovationsschmiede – gerade für neue Hopfenprodukte und spannende Aromaprofile. Hier entstehen weiterhin wichtige Impulse für die ganze Branche.
Getränke News: Wie helfen Sie Ihren Kunden in dieser angespannten Marktlage?
Raiser: Wir verstehen uns als Partner der Brauereien und als umfassenden Dienstleister rund um den Hopfen. Das heißt, wir verkaufen nicht nur Hopfen und Hopfenprodukte, sondern beraten unsere Kunden auch bei der Entwicklung von Bier- und Getränkerezepturen aller Art sowie beim gezielten, effizienten Hopfeneinsatz. Wir entwickeln innovative Hopfenprodukte, die die Aromawirkung maximieren, und liefern maßgeschneiderte Lösungen, um Getränke differenziert, modern und marktfähig zu gestalten. Darüber hinaus helfen wir bei Fragen der Liefersicherheit im Zuge des Klimawandels, sei es durch intelligente Bevorratungsstrategien oder durch den Einsatz neuer, an das Klima angepasste Hopfensorten. Unsere weltweite Präsenz gibt uns außerdem die Möglichkeit, Ausfälle in einer Region durch Lieferungen aus anderen Regionen zu kompensieren. Diese Flexibilität wird in Krisenzeiten immer wichtiger.
Getränke News: Wagen Sie einen Ausblick: Wird sich die Hopfenwirtschaft bald erholen?
Raiser: Kurzfristig bleibt es herausfordernd. Wir müssen die Übermengen abbauen und die Produktion stärker auf die reale Nachfrage abstimmen. Mittel- bis langfristig bin ich aber optimistisch. Bier bleibt ein faszinierendes und vielfältiges Produkt, und Hopfen wird immer eine zentrale Rolle dabei spielen. Tatsache ist: Hopfen ist ein Schlüssel für Vielfalt. Besonders die Trends zu alkoholfreien Bieren, funktionalen Getränken oder Clean Label sind Themen, bei denen Hopfen eine wichtige Rolle spielen kann. Entscheidend ist, dass die Branche flexibel bleibt, schnell auf Trends reagiert und nachhaltige Lösungen findet.

























































































