Die Getränkedose kehrt mit großen Schritten aus der Bedeutungslosigkeit in den Markt zurück. Auch 2022 setzte sich ihr Wachstum fort. Deutschlandweit wuchs der Anteil des Gebindes innerhalb von zehn Jahren auf 6,8 Prozent. Größter Dosenabfüller unter den Premium-Marken ist Krombacher: Die Siegerländer dürften in diesem Jahr rund 100 Millionen Dosen absetzen.
Nach 20 Jahren ist die Dose zurück
Es steht außer Frage: Die Verbraucher haben genau 20 Jahre nach der Einführung des Einwegpfands durch die damals rot-grüne Bundesregierung wieder Gefallen am Einweg gefunden. Dabei war der Markt 2002 nahezu tot. Der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin hatte – stets flankiert von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) – das Einwegpfand durchgesetzt. Der Handel musste in der Folge einige Anstrengungen unternehmen, um dem Einwegsegment wieder auf die Sprünge zu helfen. In der Brauwirtschaft kam es in der Zwischenzeit zur Erosion. Die Holsten AG, damals stark einweglastig, wurde ebenso verkauft wie Brau und Brunnen in Dortmund. Erst die Bereitschaft des nationalen LEH, in ein nationales Rücknahmesystem zu investieren, machte den Weg für die Rückkehr von Einwegware frei.
PET-Flasche blieb Stiefkind der deutschen Biernation
Die konzertierte Aktion, die im Handel Beträge in dreistelliger Millionen-Höhe verschlang, sollte Erfolg haben. Anbauten an Discounter-Filialen zur Unterbringung von Rücknahmeautomaten sollten das Handling leichter machen. Die junge Generation – mit bunten Energy-Drinks längst auf Einwegdosen eingeschworen – greift wie selbstverständlich zum Aufreißgebinde. Allein im Jahr 2021 erreichte die Halbliterdose einen Marktanteil von 6,4 Prozent und hat damit im Handelsregal die Bedeutung des Six-Packs überholt.
Im ersten Halbjahr konnte das Einweggebinde seinen Vorsprung weiter ausbauen. Gelitten hat jedoch die PET-Flasche, die zuletzt im Discount-Channel an Akzeptanz eingebüßt hatte. Tatsächlich konnten sich Deutschlands Biertrinker in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten nie so richtig für Bier aus der Plastikflasche erwärmen – es sei denn, der Preis zählte. Zahlreiche Versuche von Premium-Marken wie Bitburger und König scheiterten; selbst Holsten und Carlsberg zogen sich aus dem PET-Geschäft wieder zurück.
Marktführerschaft übers Dosengeschäft absichern
Damit wurde im zurückliegenden Jahrzehnt auch der Markt neu aufgeteilt. Kein Geringerer als Premium-Pils-Marktführer Krombacher vollzog einen Paradigmenwechsel und bestreitet heute gut und gerne zehn Prozent seines gesamten Ausstoßes über das Einwegsegment. Mit seiner Dosen-Listung bei Aldi sorgte Inhaber Bernhard Schadeberg schon 2015 für Gesprächsstoff. Keine Frage: Nachdem das Wachstum im Mehrweggeschäft an seine Grenzen stieß, sicherte sich Krombacher die Marktführerschaft über das Einwegsegment.
Mit einem Dosen-Marktanteil von 10,8 Prozent steht die Siegerländer Premium-Marke heute zweifelsfrei als Mengenbringer ganz vorn. Für Krombacher dürfte das Einwegsegment angesichts der Mengenrelevanz unverzichtbar sein. Im Markt geht man inzwischen von einem Dosen-Ausstoß von mehr als 500.000 Hektolitern aus. Die Mitgliedschaft bei der Deutschen Umwelthilfe kündigte Krombacher 2018. Die zahlreichen Dieselklagen der DUH hatten im Social Web zu hörbarem Unmut der Krombacher-Verbraucher geführt.
Preiseinstieg macht gut 40 Prozent der Dosenmenge aus
Dass vor der Einführung des Einwegpfandes zu Jahrtausendbeginn Holsten mit über 800.000 Hektolitern und Warsteiner mit über 700.000 Hektolitern das Einwegsegment befeuerten, ist längst Geschichte. Doch Krombacher hat die Zeichen der Zeit erkannt und ist auf dem besten Weg, zu den einstigen Dosenerfolgen seiner Wettbewerber aufzuschließen. Bernhard Schadeberg und seine Vertriebsorganisation bedienten schlichtweg die Verbraucherbedürfnisse und dürften heute die einzige Marke mit nahezu flächendeckender Dosenpräsenz sein. Auf Platz zwei rangiert laut Nielsen die deutschlandweit schon legendäre Dosen-Marke Holsten, die einen Marktanteil von 8,1 Prozent erreicht, gefolgt von Bitburger mit 7,3 Prozent und Beck‘s mit 5,1 Prozent Marktanteil.
Tatsächlich griff in den zurückliegenden Jahren genau das Marktregulativ, mit dem zu rechnen war: Der Handel folgte der Kaufbereitschaft der Verbraucher mit zusätzlichen Listungen von Dosen, sodass heute in allen Regionen sowohl die angestammten Premium-Marken als auch die regionalen Platzhirsche vertreten sind. Im Schatten der hoch- und mittelpreisigen Marken bleibt nahezu verborgen, dass sich im Preissegment darunter jene Brauer tummeln, die den Handel verlässlich mit Preiseinstiegsmarken versorgen.
In diesem Segment trägt das Frankfurter Brauhaus mit einem Marktanteil von über 30 Prozent dazu bei, dass die Discounter-Schiene mit Dosenware versorgt wird. Oettingers 5,0 Original legt noch einmal zehn Prozent Marktanteil obendrauf. Dabei ist die Preisstellung im Discount weitgehend verlässlich. Der Preiseinstiegsbereich beginnt bei 0,49 Euro, das Premium-Segment hat sich zwischen 0,79 und 0,85 Euro eingependelt.
Paulaner gibt Gas mit Münchner Hell
Inzwischen haben die Discounter eine klare Strategie entwickelt, um am wachsenden Dosengeschäft zu partizipieren, ohne gleich dauerhafte Stellfläche zu opfern. Mit wenigen Premium-Marken gelangt regelmäßig Aktionsware von regionalen Markenvertretern, aber auch ergänzenden Bierspezialitäten wie beispielsweise Kölsch oder Helles in die Regale. So schob Paulaner mit seinem Münchener Hell das Spezialitäten-Segment im Dosenbereich so kraftvoll an wie keine andere Brauerei in Deutschland. Heute kommt laut Nielsen jedes dritte Helle von Paulaner (Schörghuber Gruppe) aus der Dose.
AB Inbev hält mit den revitalisierten Marken Spaten und Löwenbräu Anschluss, um im Aktionsgeschäft Menge zu drehen. Dank der regionalen Aussteuerung der Discounter kommt zuweilen sogar Kölsch in die Fläche. Hinzu kommen Mehrstück-Verpackungen, die auch den Vorwärtstrend der Holländer mit der Marke Heineken beschleunigen. Aber auch andere ausländische Biere können durch die Dose schneller Absätze generieren.
Dosenautomaten nach dem Müllschlucker-Prinzip
Das Dosensegment bleibt aufnahmefähig und die Verbraucher wissen dabei die neue Generation von Rücknahmeautomaten zu schätzen. Inzwischen schlucken die Geräte im Zwei-Sekunden-Rhythmus Einweggebinde, ohne Komplikationen und ständiges Rufen nach dem Marktleiter. Noch lässt sich der deutsche Verbraucher in der Warteschlange disziplinieren und ist bereit, Dose für Dose in den Schacht zu stecken.
Dabei ist die Technik längst weiter. Tomra ermöglicht mit seiner Innovationsmaschine R1 sogar das gleichzeitige Einwerfen von bis zu 100 PET-Flaschen. Das Gerät funktioniert nach dem Müllschlucker-Prinzip; selbstverständlich wird jede Flasche ordnungsgemäß erfasst und abgerechnet. Diese Geräte kämen auch der emsigen Dosensammler-Gemeinde entgegen. Diese hat zu guter Letzt einen erheblichen Anteil an der gesellschaftlichen Akzeptanz der Dose, weil sie für eine flächendeckende Rückführung und damit Entlastung der Umwelt sorgt.