Vor einem halben Jahr hierzulande noch völlig unbekannt, sind sie heute in der Branche Gesprächsthema Nummer 1: Hard Seltzers, die mit Alkohol und Fruchtaromen versetzten Sprudelwässer für junge, gesundheitsbewusste Zielgruppen. In den USA steuert die ganz neue Kategorie laut Analysten in diesem Jahr auf einen Umsatz von 3,5 Milliarden Dollar zu – entsprechend hoch sind die Erwartungen inzwischen auch diesseits des großen Teichs. Den Anfang machte in Deutschland die Berliner Marke Holy, die seit Juni in Teilen des Handels verfügbar ist. Seitdem folgte ein gutes Dutzend, darunter einige Start-ups, inzwischen aber auch Big Player wie – als großer Markenartikler – Schloss Wachenheim mit „Ypso“ und Handelsketten oder Discounter, etwa Lidl mit „Sunrise“.
Kaum gestartet, wurde das vielversprechende Segment allerdings gleich wieder ausgebremst: Die Corona-Pandemie machte den eher sommerlich und zudem gesellig positionierten Getränken mit ihren Kontaktbeschränkungen vorläufig einen Strich durch die Rechnung. Solange das Virus grassiert, wird wohl der große Hype auf sich warten lassen, da sind sich die Hersteller einig. Für die Zukunft ist dennoch der Optimismus groß. So rechnet etwa Jonas Brügmann, Co-Founder und Marketing-Geschäftsführer von JJ Seltzer (Marke Pure), mit einem Durchbruch im nächsten Jahr. „Wenn es wieder möglich ist, bei warmem Wetter draußen im Park zu sitzen, auf Festivals zu gehen, in Spätis einzukaufen oder in Bars das neue Szenegetränk zu feiern, wird auch der Hard-Seltzer-Markt großen Zuspruch finden“, zeigt er sich auf Nachfrage von Getränke News überzeugt.
Kategorie trifft den Nerv junger Zielgruppen
Hard Seltzer sei „kein Winter-Wonderland-Produkt“, räumt auch Ann-Kathrin Metzner, Marketingchefin von Bimmerle (Buzz), ein, aber: „Sobald die ersten Sonnenstrahlen herauskommen, wird man nichts anderes mehr trinken wollen.“ Auch Anna-Maria Mühlen, Brandmanagerin bei Schloss Wachenheim, glaubt, „dass die Kategorie auch in Deutschland einen Boom auslösen wird“, denn Hard Seltzer habe „ein enormes Potenzial, da es perfekt in die heutige Zeit passt“. Mit kaum oder gar keinem Zucker, einem geringen Alkoholgehalt, wenig Kohlenhydraten und zudem meist mit den Eigenschaften vegan, glutenfrei und ähnlichen Attributen beworben, trifft es offenbar genau den Nerv junger, vornehmlich urbaner Zielgruppen, die auf Fitness und eine ausgewogene Ernährung besonderen Wert legen.
Wie schnell es allerdings gehen kann mit dem Boom, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Erwartungen im Handel seien – durch die Steilvorlage aus den USA – sehr hoch, doch auch dort habe das Segment etwa drei Jahre gebraucht, „um den Hype zu bekommen, den es heute hat“, gibt Robert Iken, Gründer und Geschäftsführer von Holy Drinks, zu bedenken. Es brauche eben erst einmal Konsumenten, „die das Produkt kennen, schätzen und feiern“, und das dauere hierzulande sicherlich noch etwas.
Auch Dominik Wojcik, Gründer der Zelos Genuss GmbH (Marke Fox), rechnet mit dem großen Durchbruch erst in drei bis vier Jahren. Er erwarte nicht einen Sprint, sondern eher einen Marathon, sagt Wojcik, der gleichwohl sicher ist: „Wer die größte Puste hat, wird viel Spaß in dem Markt haben“.
Manche Handelspartner erst einmal skeptisch
Anna-Maria Mühlen von Schloss Wachenheim indessen zieht den Vergleich mit anderen erfolgreichen Trends, um ihre hohen Erwartungen zu untermauern: „Natürlich sind viele Handelspartner bei neuen Produktkategorien erst einmal etwas skeptisch“, dies sei auch vor Jahren bei dem inzwischen fest etablierten „Hugo“ so gewesen. Die Produkte hätten aber „zur richtigen Zeit einen Trend bedient“, und an diesem Punkt stünden eben aktuell auch die Hard Seltzers.
Einem Big Player wie dem Trierer Unternehmen dürfte es bei der Einführung allerdings auch deutlich leichter fallen, sein Produkt am Markt durchzusetzen als einem kleinen Start-up. Neben den jahrelangen Erfahrungen mit neuen Kategorien sorgten die engen Beziehungen zum Handel für „Sicherheit und Rückhalt“, betont Mühlen.
Professionelle Strukturen schieben Erfolg an
Aus ähnlichen Gründen hat sich JJ Seltzer bereits frühzeitig einen starken Partner gesucht: Nicht nur mit Startkapital, sondern auch mit seinen Erfahrungen sowie Kontakten in die Branche hat Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel, dem jungen Business von Anfang an zur Seite gestanden. Und für den Vertrieb sorgt die Veltins-Tochtergesellschaft United Liquids. Wie wertvoll dies für künftige Erfolge ist, weiß Gründer Jonas Brügmann: „Start-ups ohne Einbindung in vorhandene, professionelle Strukturen hatten in der Vergangenheit wiederholt Probleme, Listungen in LEH oder GFH bei schnellem Wachstum nachhaltig zu bedienen. Diese Gefahr besteht im Hard-Seltzer-Segment im kommenden Jahr.“
Eben deshalb ist die Angst der Start-ups vor dem zu erwartenden Wettbewerb mit den Big Playern auch deutlich geringer als die Hoffnung, in deren Kielwasser erfolgreich segeln zu können. So zeigte sich laut Jonas Brügmann in Großbritannien, dass der Markt nach deren Einstieg „massiv expandiert“ habe.
Noch viel Aufklärungsarbeit nötig
Dass der Einzelhandel die neue Kategorie längst wahrgenommen hat und ihre Entwicklung mit großem Interesse beobachtet, wissen die Newcomer; zugleich will aber auch niemand leugnen, dass andererseits die Endverbraucher und selbst die junge Zielgruppe die Kategorie bislang so gut wie gar nicht kennen. „Wir müssen viel Aufklärungsarbeit leisten“, weiß Dominik Wojcik von Zelos, der deshalb zunächst vor allem auf Probierkontakte setzt. Es bringe nichts, viele große Listungen anzustreben, bevor die Menschen mit dem Getränk in Kontakt kommen, so Wojcik. Immerhin: Wenn Leute erst einmal gekostet hätten, seien die Reaktionen „durchweg positiv“. Das bestätigen auch die anderen Anbieter – wie etwa Ann-Kathrin Metzner, die von einem positiven Feedback spricht; man erhalte viele „Danksagungen“, dass es „dieses tolle Produkt aus den USA“ jetzt auch hier gebe.
Eine dunkle Wolke hängt indessen, anders als in anderen Ländern, über dem jungen Produkt: Nach Definition des Zolls unterliegen Hard Seltzers prinzipiell der Alkopopsteuer. Ob einzelne Erzeugnisse allerdings tatsächlich besteuert werden, hängt von der jeweiligen Herstellungsmethode und Zusammensetzung ab. Klarheit kann nur die Nachfrage bei dem zuständigen Hauptzollamt bringen, was die Unternehmen im Allgemeinen auch nutzen und sich individuell für die nächsten Jahre dort absichern. Man müsse „viel mit Anwälten und dem Zoll kommunizieren“, rät Dominik Wojcik. Um sich von den in Verruf geratenen limonadigen Alkopops abzugrenzen, müsse man auch deutlich machen, dass Hard Seltzers meistens gar keinen Zucker enthielten und „nicht mal ansatzweise süß“ seien.
Konkurrent für Bier, Wein und Cocktails
Sobald dann alle Hürden aus dem Weg geräumt sind, haben Hard Seltzers vielleicht tatsächlich das Zeug zum ganz großen Trend – das hoffen jedenfalls die Hersteller wie Jonas Brügmann: „Wenn wir uns nur ein wenig an dem orientieren dürfen, was Hard Seltzer in den USA erreicht hat, dann rechnen wir damit, dass diese Produktkategorie mittelfristig ein ernstzunehmender Konkurrent zu Bier, Wein und zu süßen Cocktails wird.“