„Wasserflaschen für den heimischen Verzehr zu kaufen ist in Deutschland in der Regel unnötig.“ Mit diesem Satz brachte Ende November letzten Jahres Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Brunnenbranche gegen sich auf. In ihrem „5-Punkte-Plan für weniger Plastik und mehr Recycling“ forderte sie die Verbraucher auf, ihren Durst vorzugsweise mit Leitungs- statt Mineralwasser zu löschen. Das Thema soll im Rahmen einer auf zehn Jahre angelegten Kampagne vertieft werden. Spätestens seitdem steht die Branche zunehmend unter Beschuss – durch staatliche ebenso wie private Akteure.
Nach einer bislang eher zaghaften Gegenwehr gehen der Brunnenverband VDM und die in ihm organisierten Unternehmen jetzt in die Offensive. Das Ganze sei „kein Sandkastenspiel mehr“, sondern eine existenzielle Bedrohung, insbesondere für kleinere Betriebe, empörte sich der Verbandsvorsitzende Dr. Karl Tack anlässlich eines Politischen Frühstücks am Freitag in Bad Peterstal-Griesbach. Unter dem Motto „Ja zum Naturprodukt Mineralwasser!“ hatte die Branchenvertretung zusammen mit drei in der Ortenau ansässigen Unternehmen Politiker aus der Region und Journalisten eingeladen, um Fehlinformationen über Mineralwasser richtigzustellen und die Brunnen in ihrer Bedeutung als Wirtschaftsfaktor zu positionieren. Die Veranstaltung soll ähnlich in allen Gegenden der Republik wiederholt werden und im Februar 2020 in einem Symposium gipfeln, bei dem die Industrie sich geschlossen gegen eine derartige politische Bevormundung aussprechen will. Auch auf Bundesebene sei man inzwischen „dauerhaft im Gespräch“.
Fehlinformation bedroht Brunnengeschäft
In einer aktuellen Studie hätten 66 Prozent der Befragten die Ansicht geäußert, PET-Einwegflaschen deutscher Mineralbrunnen trügen zur Plastikvermüllung der Umwelt und der Weltmeere bei. Dieses Missverständnis komme die Branche teuer zu stehen, denn es bedrohe massiv ihr Geschäftsmodell, unterstrich Dr. Tack. So sei bei den Mineralbrunnen im Südwesten Deutschlands der Absatz an Wasser in PET-Flaschen im ersten Halbjahr um 10 bis 15 Prozent zurückgegangen. Bereits 2018 sei das Wachstum wesentlich schwächer ausgefallen als man es angesichts des heißen Sommers habe erwarten können. Zwar seien gleichzeitig die Käufe von Glasgebinden deutlich gestiegen, dies habe aber die Verluste beim PET nicht kompensieren können. Svenja Schulze nehme billigend in Kauf, dass die Betriebe ohne Not wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssten und so Arbeitsplätze gefährdet würden, ärgerte sich Gerhard Kaufmann, Geschäftsführer der Griesbacher Mineral- und Heilquellen.
Im Kampf gegen die politische Einmischung in die Marktwirtschaft konnte der VDM im Übrigen drei weitere Mitstreiter gewinnen: Mit dem Brunnenverband haben die Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB), der Getränkefachgroßhandelsverband (BV GFGH), der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) bereits im April ein gemeinsames Positionspapier unterzeichnet, in dem sie u.a. die Bedeutung von Mineralwasser als sicheres Lebensmittel und die Qualität des deutschen Mehrweg- und Rücknahmesystems herausarbeiten und sich für eine Wahlfreiheit der Verbraucher aussprechen.
Deutsches System „weltweit vorbildlich“
Und noch eines wurde während der Diskussionsrunde klar: Die gesellschaftliche Debatte geht in weiten Teilen an der Faktenlage vorbei. Der „Verteufelung von PET“ etwa setzte Klaus Bähr, Geschäftsführer der Peterstaler Mineralquellen, entgegen, dass die Rücklaufquote von Einweg-Kunststoffflaschen über 97 Prozent liege, wovon nahezu 100 Prozent werkstofflich verwertet würden. Die Flaschen landeten also keineswegs in der Umwelt oder im Meer, sondern kämen zurück und würden recycelt. Das deutsche Kreislaufsystem sei „weltweit vorbildlich“, ergänzte Dr. Tack; die heimischen Brunnen würden dadurch seit langem einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz leisten. Es sei daher nicht zu verstehen, warum „ausgerechnet unsere Branche zum Prügelknaben wird“.
Auch die Behauptung, Leitungswasser sei das am besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt, entspricht dem VDM zufolge nicht den Tatsachen. Vielen Verbrauchern sei zum Beispiel nicht bewusst, dass die Wasserversorger die Sicherheit nur bis zum Hausanschluss, nicht aber bis zur Entnahme am Wasserhahn garantieren könnten.
Insgesamt ging die Branche hart mit der Politik ins Gericht: Statt sich zu fragen, „wie man wirklich etwas für die Umwelt tun kann“, betreibe das Bundesumweltministerium eine populistische Symbolpolitik. Dagegen wollen sich die Mineralbrunnen nun vehement wehren. Man habe es satt, sich noch länger wegzuducken, unterstrich Dr. Tack.