Die Radeberger Gruppe verabschiedet sich vom Craftbier-Markt und gibt ihrer Marke Braufactum in die Hände von Dr. Marc Rauschmann, Thorsten Schreiber und Jochen Rosinus, die Gründerväter von Braufactum und das bisherige Kernteam. Die drei werden die Marke, die weiterhin im Besitz der Radeberger Gruppe verbleibt, zukünftig als nebenberufliches Engagement weiterführen und auch den Einkauf, die Produktion und den Vertrieb in die eigene Hand nehmen. Zu diesem Zweck haben Marc Rauschmann, Thorsten Schreiber und Jochen Rosinus die Gründung der Braufactum GmbH in die Wege geleitet, die zum 1. Januar 2024 ihre Geschäftstätigkeit aufnimmt, teilt die Radeberger Gruppe heute den Mitarbeitern mit.
Der Craftbier-Markt habe sich nicht so kraftvoll entwickelt wie erhofft. Gleichzeitig erfordere eine Marke wie Braufactum mit kleineren Produktionsmengen und eigenen Erfolgskriterien besondere Aufmerksamkeit – „und dies bringt naturgemäß höhere Komplexitäten für eine Unternehmensgruppe wie unsere mit sich“, so die Mitarbeiterinformation der Radeberger Gruppe.
Über die Hintergründe des neuen Geschäftsmodells sprach Getränke News mit Braufactum-Geschäftsführer Dr. Marc Rauschmann.
Getränke News: 2010 sind Sie mit Braufactum als einer der Pioniere der deutschen Craftbier-Szene gestartet und haben seitdem viel für die Entwicklung und den Ausbau dieses Marktes getan. Die Radeberger Gruppe glaubt nun offenbar nicht mehr an den Craftbier-Markt in Deutschland. Was macht Sie optimistisch, dass Braufactum weiterhin gut läuft?
Rauschmann: Wir kennen den deutschen Craftbier-Markt von Beginn an mit all seinen Chancen, aber auch Risiken. Wir stellen uns jetzt sehr schlank auf und wollen die Chancen nutzen, die wir mit schlankeren Strukturen und kleineren Chargengrößen haben. Potenzial sehen wir weiterhin in der Gastronomie. Wir werden den Markt jedoch aufmerksam beobachten, um schnell weitere Chancen ergreifen zu können.
Zum Start werden wir uns auf Fassbier konzentrieren. Über Preuss-Münchhagen und die weiteren Betriebe der Drinkport-Gruppe wie Wigem im Rhein-Main-Gebiet haben wir den Zugang zu einem Großteil unserer bestehenden Gastronomen sichergestellt. Auch die anderen GFGHs können die Ware zugesendet bekommen und somit ihre Kunden weiterhin beliefern. Wir produzieren also selbst, nutzen aber die bestehende Supply Chain zur Gastronomie.
Getränke News: Flaschen und Dosen wird es also nicht mehr geben?
Rauschmann: Wir starten mit Fassbier, wollen aber perspektivisch auch wieder in Flaschen und Dosen füllen. Wir können jetzt noch nicht abschätzen, ab wann wir das realisieren werden.
Getränke News: Sie machen Braufactum künftig nebenberuflich. Wie muss man sich das vorstellen?
Rauschmann: Vor drei Jahren übernahm die Radeberger Gruppe den Vertrieb der Braufactum-Biere, die eigenständige Vertriebsorganisation von Braufactum wurde aufgelöst. Damals haben Thorsten Schreiber, Jochen Rosinus und ich einen Hauptjob in der Radeberger Gruppe angenommen. Seitdem war Braufactum für uns alle drei eher eine „Nebentätigkeit“ und wir haben mit großer Freude und Leidenschaft viel Zeit auch schon mal nach Feierabend und am Wochenende mit unserer Marke verbracht.
Wie das so ist mit allen Tätigkeiten, die einem Spaß machen, zählt man nicht die Stunden, sondern das, was sie einem geben. Das ist der Grund dafür, jetzt in dieses Abenteuer zu starten. Fest steht: Manches muss man einfach machen, sonst wird man nie erfahren, wie es wird oder hätte werden können.
Getränke News: Sind Sie alle drei gleichberechtigte Gesellschafter?
Rauschmann: Wir drei Gesellschafter sind alle gleichberechtigt. Wir arbeiten inzwischen seit über 13 Jahren mit Braufactum zusammen, kennen uns gegenseitig sehr gut und haben eine eingespielte Aufgabenverteilung. Ich kümmere mich als Brauer um die Biere, also die Rezepte, das Brauen und um die Qualitätssicherung. Thorsten Schreiber ist nach wie vor für die Logistik und die Prozesse verantwortlich und Jochen Rosinus für den Vertrieb.
Getränke News: Wo werden die Biere künftig gebraut? Wird noch jemand eingestellt für Vertrieb oder Produktion?
Rauschmann: Nein, wir stellen niemanden ein und starten zu dritt als sogenannte Gypsy-Brewer. Brauen werden wir unsere Biere bei Brlo in Berlin Spandau. Die Partnerschaft mit Brlo ist für uns ideal, weil Berlin als Standort perfekt ist. Hier liegen – neben dem Rhein-Main-Gebiet – unser Vertriebsschwerpunkt im Fassbierbereich und auch unsere beiden Braufactum-Gastronomie-Objekte. Außerdem haben wir in Berlin über Preuss-Münchhagen Zugang zur Drinkport-Gruppe.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Brlo selbst Craftbrauer ist und Erfahrung mit Kalthopfung und diversen Bierstilen und Brauverfahren hat. Wir sprechen also die gleiche Sprache und haben die gleiche Einstellung zum Brauen. Der wichtigste Punkt ist aber, dass wir uns schon sehr lange kennen. Wir schätzen und vertrauen uns.
Getränke News: Bleibt es bei dem jetzigen Portfolio?
Rauschmann: Wir werden national weiterhin die drei Sorten Progusta, German Pale Ale und The Brale im 20-Liter-Fass anbieten. Neu dazu kommen unsere früheren Sorten wie Indra (Weizen IPA), Soleya (Saison) oder das Darkon (Schwarzbier), auch im 20-Liter-Fass. Wir freuen uns aber auch auf neue Kreationen oder alte saisonale Sorten, die wir wiederbeleben wollen. All dies ist nun in der kleineren Chargengröße sehr einfach möglich.
Getränke News: Die Marke bleibt im Besitz der Radeberger Gruppe. Könnte das zum Problem werden, wenn Sie erfolgreich sind? Werden Lizenzgebühren für die Marke gezahlt?
Rauschmann: Wir haben mit der Radeberger Gruppe einen Lizenzvertrag geschlossen. Wenn wir so erfolgreich werden, dass wir mit ihr darüber reden müssen, haben wir alles richtig gemacht. Ich bin sicher, dass wir uns mit der Radeberger Gruppe immer einigen werden, so wie wir uns jetzt auch geeinigt haben, und wir werden für jeden Fall sicherlich eine gute Lösung finden.
Getränke News: Wo steht Braufactum in fünf Jahren?
Rauschmann: Bis dahin wollen wir unser Geschäftsmodell etabliert und ausgebaut haben. Wir würden bis dahin auch gerne eine eigene Braufactum-Gastronomie in Frankfurt betreiben, mit einem kleinen, feinen Ausschank. Nichts Großes, einfach ein cooler Ort, an dem man unser Fassbier trinken kann. Und wir träumen von unserer eigenen Brauerei. Mal sehen, was sich so ergibt. Nun müssen wir aber erst mal starten. Darauf freuen wir uns.