Die Gastronomie in Deutschland befindet sich in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Mit voller Wucht wurden die Wirte von der Corona-Pandemie getroffen, seit dem Lockdown liegen die Umsätze bei Null. Neben den Zulieferfirmen sind davon auch die Brauereien stark betroffen. Fassbier wurde seit Anfang März keines mehr verkauft und nach dem jüngst ausgesprochenen Verbot von Großveranstaltungen über den gesamten Sommer hinweg haben viele Brauereien und Getränkefachgroßhändler die Hoffnung aufgegeben, die im März und April verloren gegangenen Fassbierabsätze wieder forcieren zu können. Als „mutmachendes Signal“ bezeichnet der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) die aktuell beschlossene Reduzierung der Mehrwertsteuer für in Gaststätten konsumierte Speisen (wir berichteten). Der Verband macht jedoch klar: Ohne direkte Finanzhilfen werden die meisten Betriebe die Krise nicht überstehen.
Rettungsaktionen angelaufen
Inzwischen haben viele Brauereien damit begonnen, ihren Gastronomiepartnern unter die Arme zu greifen. So hat beispielsweise die Brauerei Veltins in der Gastronomie die Darlehensrückzahlung für zwei Monate ausgesetzt. „Wir wollen Betrieben die notwendige Luft verschaffen und zu einer Erleichterung beim Neustart nach der Krise beitragen“, sagte Veltins-Generalbevollmächtigter Michael Huber. Auch kleinere Brauereien zeigten gleich zu Beginn des Lockdowns Solidarität. So verschob die Bochumer Brauerei Moritz Fiege eine bereits angekündigte Bierpreiserhöhung und die Westerwald Brauerei sowie die Ayinger Brauerei verzichten auf die Pacht ihrer Wirte. Keine Stundung, sondern Totalverzicht. Ayinger Brauereichef Franz Inselkammer stellte klar: Auch offene Forderungen, Zinsen und Tilgungszahlungen treibe man derzeit nicht ein. Und für das Bier, das die Wirte durch die Schließung nicht mehr ausschenken können, gebe es nach Öffnung einen Ausgleich.
Hilfe als Verkaufsförderung
Während die genannten Beispiele meist hinter den Kulissen und unbemerkt für die Verbraucher bleiben, stellen andere Brauer nach dem alten Motto „Tue Gutes und rede darüber“ ihre Aktionen medienwirksam zur Schau. Dabei wird die Hilfe verkaufsfördernd kommuniziert. Eine Win-win-Situation für Wirte und Brauer. So wirbt zum Beispiel aktuell die Paulaner Brauerei Gruppe mit sogenannten Bier-Fonds. Das Unternehmen spendet für jeden gekauften Kasten Bier einen Liter Freibier für die Gastronomie.
Damit will die Gruppe nach eigenen Angaben ihren Wirten bei deren Wiedereröffnung bis zu vier Millionen Liter Bier kostenlos zur Verfügung stellen und sie so beim Neustart unterstützen. „Wir sehen uns seit jeher als Partner unserer Wirte und nicht als Lieferant“, betont Geschäftsführer Andreas Steinfatt. „Daher war es für uns selbstverständlich, an einem Konzept zu arbeiten, das alle unsere Gastro-Partner unterstützt.“ Für den April, in dem die Gastronomie bereits geschlossen war, legt das Unternehmen symbolisch die erste Million Liter in den Fonds. „Wir gehen auf Basis von Durchschnittsabsätzen davon aus, dass wir am Ende bis zu vier Millionen Liter Bier als ‚Starthilfe‘ an die Gastronomie verteilen werden.“ Alle Paulaner-Tochterbrauereien beteiligen sich an der Aktion.
Brauereien werden kreativ
Einen etwas anderen Weg geht Alpirsbacher Klosterbräu. Die Brauerei aus dem Schwarzwald bietet sogenannte Biertickets an. Kunden können für je 9,90 Euro einen Gutschein für ihr Lieblingslokal kaufen. Sobald die Gastronomie wieder offen hat, gibt es dann pro Bierticket vier 0,3-Liter-Gläser Bier. Die Wirte erhalten davon 25 Prozent als Naturalrabatt. Die Aktion ist gut angelaufen, 5.000 Biertickets wurden bereits verkauft.
Auch in Hamburg sind die Brauer kreativ. Während Carlsberg Deutschland eine Gutscheinaktion für die Gastronomie unterstützt, wirft die Ratsherrn Brauerei für ihre Wirte einen symbolischen Rettungsring aus. Dafür hat die Brauerei ihr Pilsener Bier mit neuen Etiketten versehen. Darauf wurde die traditionelle Halskrause der Marke zum nautischen Rettungsring. Für jeden gekauften 4er-Träger spendet das Unternehmen 3 Euro in den Ratsherrn-Sofort-Hilfe-Topf für die Gastronomie.
Selbst aus der durch die Krise stark gebeutelten Craftbier-Szene kommen Initiativen, die Gastronomie nach dem Lockdown wieder zu beleben. Der schottische Craftbrauer Brewdog beispielsweise setzt auf mehr Kunden durch Freibier. Sobald die Brewdog-Bars wieder geöffnet sind, gibt es dort für jeden Gast gratis ein Bier. James Watt, Mitgründer und Captain von Brewdog betont: „Wir befinden uns mitten in der größten Krise, mit der unsere Gesellschaft seit langem konfrontiert war. Aber in einem Punkt sind wir uns sicher, die Macht unserer Gemeinschaft ist größer. Und: Gutes Bier hat die Menschen schon immer zusammengebracht.“
Ebenfalls auf Freibier setzt die Stuttgarter Brauerei Dinkelacker. Gastronomiebetriebe, die auf Abholservices und Lieferdienste umgerüstet haben, erhalten von der Brauerei Freibier der Marke Wulle. Damit soll zu mehr Bestellungen animiert werden. Denn zu jeder Bestellung gibt es eine Flasche Wulle Pils gratis dazu. „Mit der Aktion wollen wir unsere Gastronomie-Partner unterstützen, die in der aktuellen Situation nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern sich etwas einfallen lassen und das Beste daraus machen“, erklärt Marketingleiter Stefan Seipel.