Die Brauwirtschaft ist durch die monatelange Schließung der Gastronomie und das Veranstaltungsverbot besonders hart getroffen. Das zeigt sich unter anderem in der Bierabsatzstatistik: Bis Ende November betrug das Absatzminus der deutschen Brauer laut Statistischem Bundesamt 5,3 Prozent, Experten gehen von gut sechs Prozent Minus für 2020 aus (Dezember-Zahlen werden erst Ende Januar veröffentlicht).
Viele Brauereien konnten ihre Absatzverluste beim Fassbier durch Zuwächse beim Flaschenbier teilweise kompensieren. Es gibt jedoch auch Brauereien, die bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes über Gastronomie und Festveranstaltungen erwirtschaften. Und hier ist klar: Wenn Bund und Länder ihre Hilfen für besonders betroffene Betriebe nicht bald nachbessern, werden viele diese Krise nicht überstehen.
Schwerste Krise seit 1948
Für Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Brauerei Veltins, steht fest: Für die Brauwirtschaft wird die Pandemie auf lange Sicht folgenreich bleiben. Schon jetzt sei absehbar, dass es für viele Anbieter langfristig wirtschaftlich schwierig, in jedem Fall herausfordernd bleiben werde. „Gerade kleine Brauereien, die vorzugsweise in ihren angestammten Regionen Veranstaltungen seit jeher direkt und ertragreich beliefern, mussten 2020 um unerlässliche Liquidität fürchten, zumeist sogar ganz einbüßen“, so Huber. „Für viele Unternehmen wurde augenfällig, wie instabil ihre Marktposition ist, obwohl die Betriebe oft schon seit mehreren Generationen regionale Kraft entfalten. Die Brauwirtschaft ist, so viel darf konstatiert werden, inmitten der schwersten Krise seit der Währungsreform 1948 angekommen“, so Huber.
Wie prekär die Lage ist, zeigt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Brauer-Bundes. Die befragten Brauereien hatten 2020 im Schnitt rund 20 Prozent Umsatzminus. „Das ist für viele existenzbedrohend. Die Hürden für die gegenwärtigen Überbrückungshilfen des Bundes sind viel zu hoch, und leider kommen diese Programme auch nur sehr schleppend in Gang“, sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. „Die Unternehmen brauchen dringend wirksame Hilfen und eine echte Perspektive für die Zukunft, sonst droht eine Welle von Insolvenzen“, so Eichele.
Pleitewelle befürchtet
Auch in der Gastronomie droht eine Pleitewelle, wie eine aktuelle Umfrage des Gastronomie-Verbands Dehoga zeigt: Gut 75 Prozent der Gastronomen und Hoteliers bangen dem Verband zufolge um ihre Existenz, jeder vierte Unternehmer erwägt die Betriebsaufgabe. Der Brauer-Bund fordert auch hier schnelle Hilfen: „Mit dem Ende des Lockdowns wird es darauf ankommen, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung alles zu tun, um Restaurants und Gasthöfen, Hotels, Bars, Kneipen und Cafés schnell wieder auf die Beine zu helfen“, sagt Eichele. Hier gehe es um optimale politische Rahmenbedingungen wie etwa eine Verlängerung der Mehrwertsteuer-Ermäßigung, aber auch um ganz praktische Fragen wie die Umsetzung behördlicher Hygiene-Auflagen.
Noch kein Silberstreif am Horizont
Alle Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Pandemie richten sich nun auf eine baldige Immunisierung der Bevölkerung. „Nur eine breite und baldige Versorgung mit wirksamen Impfstoffen wird uns eine Rückkehr zu dem gesellschaftlichen und sozialen Leben ermöglichen, das wir so sehr vermissen“, sagt Eichele und hofft, dass sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte behutsam erholt.
Auch die Paulaner-Gruppe erwartet für die gesamte Branche ein herausforderndes Jahr. „Noch ist der Silberstreif am Horizont dünn und weit entfernt. Die Folgen des andauernden Lockdowns für die Gastronomie sind schon jetzt dramatisch. Hier werden wir flexibel reagieren müssen“, sagt Dr. Jörg Lehmann, CEO der Paulaner-Gruppe.
Trotz aller Herausforderungen hat sich Paulaner auch für 2021 Wachstum als Ziel gesetzt. „Hier bietet der Hellbiermarkt großes Potenzial“, sagt Lehmann. Im neuen Jahr will die Brauerei mit ihrem Hellen verstärkt in Handel und Gastronomie in die Offensive gehen und stellt ihr Flaschengebinde um. „Unser Paulaner Münchner Hell wird in Zukunft in die Euroflasche abgefüllt, die als Inbegriff der Hellbierflasche gilt“, so Lehmann.
Hoffen auf das Frühjahr
Auch das größte deutsche Brauunternehmen, die Radeberger Gruppe, zeigt sich optimistisch: „Wir starten zwar mit Respekt vor den vor uns liegenden Herausforderungen, aber durchaus zuversichtlich in das neue Jahr“, sagt Unternehmenssprecherin Birte Kleppien. „Wir hoffen darauf, dass mit dem Saisonstart im Frühjahr zumindest einiges wieder anfahren kann und im Außer-Haus-Geschäft zumindest eine gewisse Entspannung eintritt, wenn sicherlich auch weiterhin mit Auflagen und Einschränkungen“, so Kleppien. Wachstumschancen sieht das Unternehmen im klassischen Biergeschäft insbesondere bei starken regionalen Marken und Spezialitäten sowie bei alkoholfreien Bieren. „Wir treten aber auch an, ebenso bei unseren starken nationalen Marken Marktanteile zu verteidigen und mit schönen Impulsen und intensiver Marktbearbeitung auszubauen“, erklärt die Sprecherin und kündigt außerdem einige neue Produkte an.
Wachstum im Handel
Auch Axel Dahm, Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Braugruppe, zeigt sich trotz der aktuellen Pandemiesituation zuversichtlich. „Wir konnten noch in 2020 unsere Organisationsanpassung erfolgreich abschließen und sind jetzt gut gerüstet für die Herausforderungen, aber auch die Chancen, die 2021 uns bietet.“ Dahm erwartet vor allem im Handel weiteres Wachstum und dies werde im Verlauf des Jahres auch für die dann wieder öffnende Gastronomie und die Auslandsmärkte gelten. „Wir konnten schon 2020 gerade mit unserer größten und wichtigsten Marke Bitburger im Handelsbereich Marktanteile dazugewinnen, und wir wollen diesen Trend für alle unsere Marken in 2021 fortsetzen“, so Dahm.
Lust auf Bier ist ungebrochen
Grund zu verhaltenem Optimismus gibt es auch bei der Brauerei Veltins: „Das gute Signal, das wir mit ins Jahr 2021 nehmen, ist das Wissen um den Zuspruch der Verbraucher: Die Menschen haben unverändert Lust auf Bier! Darauf können wir uns auch in diesem Jahr verlassen, allein die Verzehrgelegenheiten bleiben unwägbar“, sagt Veltins-Chef Michael Huber und geht davon aus, dass sich mit der Rückkehr der Normalität auch das Ausgehverhalten rasch normalisiert.
So sieht es auch Erdinger-Geschäftsführer Josef Westermeier: „Wenn die Pandemie zum zweiten Quartal hoffentlich endlich unter Kontrolle ist, erwarte ich einen riesigen Nachholbedarf bei den Menschen in Sachen ,Lebensfreude genießen‘. Die Leute wollen sich wieder etwas gönnen, und das dürfte den Absatz der Brauereien gewaltig ankurbeln. Wir als Spezialitätenbrauerei mit enormer Markenbekanntheit werden vorne mit dabei sein.“
Strukturelle Umbrüche erwartet
Für den Brauer-Bund zeichnet sich ab, dass sich die Branche auf strukturelle Umbrüche einstellen muss: „Viele Gaststätten und Hotels werden diese Krise nicht überleben, viele Geschäftsreisen werden in Zukunft entfallen und durch Videokonferenzen ersetzt“, fürchtet Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Das alles werde Auswirkungen auf das Konsumverhalten und den Bierabsatz haben, doch sei die Brauwirtschaft gut vorbereitet und habe sich auf die neuen Herausforderungen eingestellt. „Viele Brauereien haben die Zeit genutzt, um neue Geschäftsfelder in den Fokus zu nehmen und die Digitalisierung voranzutreiben. Dies wird sich bezahlt machen, wenn 2021 das Wachstum wieder deutlich anzieht.“