Enorm gestiegene Kosten für Rohstoffe und Energie, drohende Steuererhöhung in der Gastronomie, Belastungen durch die Energiewende: Die deutschen Brauereien stehen mehr denn je unter Druck. Im Interview spricht der neue Brauer-Präsident Christian Weber über die schwierige Situation der Branche.
Getränke News: Der deutsche Biermarkt steht unter Druck. Wie sind die Aussichten für das zweite Halbjahr?
Weber: Es war von Anfang an klar, dass 2023 ein anspruchsvolles Jahr werden würde. Alle Brauereien – ob groß oder klein – haben weiterhin mit stark gestiegenen Kosten zu kämpfen. Das beginnt bei Rohstoffen wie Braumalz oder Hopfen und reicht über Strom und Gas bis hin zu den Kosten für Personal und Logistik. Vor diesem Hintergrund sind die Brauereien gezwungen, höhere Preise durchzusetzen, was nicht einfach ist. Zumal der Handel und die Gastronomie wegen der Inflation und der Konsumzurückhaltung der Verbraucher selbst unter hohem Druck stehen. Gerade die Situation der Gaststätten, Kneipen, Cafés und Hotels sehen wir mit wachsender Sorge.
Getränke News: Als Brauer-Präsident setzen Sie sich für den niedrigen Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie ein. Fordern Sie die sieben Prozent auch für Getränke?
Weber: In der Tat setzen wir uns als Brauer-Bund mit Nachdruck dafür ein, dass der ermäßigte Steuersatz auf Speisen bleibt. Das Gastgewerbe ist ein wichtiger Partner – wenn dieser Branche ein empfindlicher Schlag droht, können wir nicht einfach wegsehen. Deshalb appellieren wir an Bund und Länder, den reduzierten Steuersatz zu belassen, der bereits in 20 EU-Staaten gilt. Einzelne EU-Staaten hatten zeitweise auch die Mehrwertsteuer auf Getränke in der Gastronomie – wie beispielsweise Fassbier – gesenkt, um die Gaststätten zu unterstützen. Das wäre auch unser Wunsch.
Getränke News: Alkoholfreie Biere haben sich in den letzten Jahren gut behauptet. Wieviel Potenzial hat diese Kategorie?
Weber: Als vor rund 50 Jahren auf der Leipziger Messe das erste Alkoholfreie präsentiert wurde, konnte niemand ahnen, wie erfolgreich sich diese Kategorie einmal entwickeln würde. Alkoholfreie Biere sind Teil eines bewussten Konsums von Getränken geworden. Der Deutsche Brauer-Bund unterstützt diesen Trend mit öffentlichkeitswirksamen Kampagnen. Bier ohne Alkohol wird heute längst nicht mehr als Ersatz wahrgenommen, sondern als erfrischende Alternative auch zu den sonst vorherrschenden alkoholfreien Getränken. Aktuell machen alkoholfreie Biere und Biermischgetränke sieben Prozent des Marktes aus – in den nächsten Jahren könnten Deutschlands Brauereien die Zehn-Prozent-Marke knacken.
Getränke News: Sie sind seit Juni neuer Präsident des Deutschen Brauer-Bundes. Wo sehen Sie Ihre Schwerpunkte?
Weber: Die meisten der 1.500 Brauereien in Deutschland werden von Familien geführt. Sie denken seit jeher in Generationen und richten sich am Gedanken der Nachhaltigkeit aus. Brauereien haben in Deutschland eine gute Zukunft, wenn es uns gelingt, optimale Rahmenbedingungen zu erhalten, in moderne Technik zu investieren, Mitarbeiter für unsere Unternehmen und Menschen für unsere Produkte zu begeistern. Dazu will ich als Präsident des DBB meinen Beitrag leisten.
Getränke News: Mit Blick auf die Energiewende kommen gewaltige Belastungen auf die Brauereien zu. Wie ist die Branche aufgestellt?
Weber: Wenn eine Branche gute Startbedingungen hat für die grüne Transformation, dann die Brauwirtschaft. Beim Bierbrauen werden nun einmal große Mengen erhitzt und wieder abgekühlt – dieser Prozess ist energieintensiv. Deshalb entwickeln Brauereien schon aus purem Eigennutz immer neue Möglichkeiten, um Energie zu sparen und noch effizienter zu arbeiten. Denken Sie nur an die Investitionen in das Mehrwegsystem – etwa mit modernen Flaschenwaschmaschinen, die Strom und Wasser sparen. Aber wichtig ist: Für Investitionen in neue Technologien und den Erfolg der Energiewende brauchen wir eine Politik, die Vertrauen schafft und verlässliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben, gerade mit Blick auf die hohen Produktionskosten. Die Bundesregierung muss alles dafür tun, Energie bezahlbar zu machen.
Getränke News: Brüssel und Berlin arbeiten an einem neuen Verpackungsgesetz. Nach allem, was bisher bekannt ist, kommt eine Menge Ärger auf die Getränkewirtschaft zu …
Weber: Mehrweg stärken, Ressourcenverbrauch reduzieren, Recycling fördern – sowohl die EU als auch die Bundesregierung haben sich hier die richtigen Ziele gesetzt. Leider hat bei den neuen Verpackungsgesetzen offenbar kaum jemand daran gedacht, dass einzelne Regelungen die bestehenden Systeme ernsthaft gefährden könnten. Uns droht eine riesige Welle bürokratischer Vorgaben, die unsere erfolgreichen Kreislaufsysteme erdrücken würde. Wir sind im Dialog mit Brüssel und Berlin, um Schaden abzuwenden und die gut funktionierenden Systeme in Deutschland zu erhalten.
Zur Erinnerung: Die Brauwirtschaft ist die einzige Branche, die von Beginn an die Vorgaben des deutschen Verpackungsgesetzes erfüllt und sogar noch übertrifft – mit einer Mehrwegquote von knapp 80 Prozent. Wir setzen uns entschieden für Mehrweg ein und betreiben das größte ökologische Kreislaufsystem in Europa. Das darf jetzt nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Getränke News: Als erster EU-Staat hat Irland die Einführung von Krebswarnhinweisen für Alkohol durchgesetzt. Ist zu befürchten, dass andere Staaten nachziehen, am Ende auch Deutschland?
Weber: Die Lebensmittelkennzeichnung in der EU ist seit jeher einheitlich geregelt. Es gibt ein gemeinsames Recht und klare Vorgaben, an die sich alle Staaten halten. Deshalb ist es schon irritierend, wenn Irland nun eigene Vorschriften erlässt und die EU-Kommission das einfach so hinnimmt.
Der Brauer-Bund unterstützt aktiv den Kampf gegen Alkoholmissbrauch. Missbrauch muss entschieden begegnet werden, der verantwortungsvolle und moderate Konsum darf aber nicht verteufelt werden.