Der Brauerei-Außendienst pflegt keine dauerhaften Kontakte zu seinen Gastronomiekunden und weiß zu wenig über ihre Probleme. Er setzt sich zu wenig für ihre Wünsche ein und gegenüber den Wirten, die von der Brauerei Gastronomie-Objekte gepachtet habe, zeigt er sich arrogant. Diese Thesen stellte zumindest der Marketing- und Kommunikationsberater Rüdiger Ruoss 1983 in einem Beitrag für die Fachzeitschrift NGZ auf. Sie sind heute natürlich überholt, denn das Geschäft hat sich grundlegend gewandelt. Manches gilt aber auch 40 Jahre später noch.
Doch was hat sich konkret geändert, und was hat sich bis heute bewährt? Gemeinsam mit Rüdiger Ruoss ist Getränke News dieser Frage nachgegangen und hat namhafte Brauereien und Braugruppen dazu interviewt.
Ein wesentlicher Unterschied zu damals: In den 80ern besuchte der Außendienst in der Regel sowohl Handel als auch Gastronomie, heute werden die Handels- und Gastronomiekunden von unterschiedlichen Außendienst-Mitarbeitern betreut.
Digitale Abläufe und passgenaue Planung
Hinzu kommen auch erheblich größere technische Anforderungen an den Außendienst: Wo früher Kundenwünsche und Regalplatzierungen mit Stift und Papier notiert wurden, stehen heute digitalisierte Abläufe auf der Tagesordnung. Doch trotz hoher Digitalisierung und Technisierung sind immer noch der persönliche Kontakt und der Austausch vor Ort wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Partnerschaft, so die befragten Brauereien unisono. Eine passgenaue Planung und Taktung der Kundenbesuche sorgen dafür, dass Kundenbeziehungen gestärkt und gegenseitiges Vertrauen kontinuierlich ausgebaut werden.
Zunächst zum Handel: Hier sind die Anforderungen an einen guten und erfolgreichen Außendienstmitarbeiter mit den Jahren massiv gestiegen. „Höhere Kundenerwartungen, neue, immer schneller drehende Aufgabenfelder, ein anderes Selbstverständnis vom ,Verkäufer‘ zum ,Berater‘ haben die Aufgaben im Außendienst Handel komplexer, fordernder und anspruchsvoller werden lassen“, erklärt Michael Keller, Hauptabteilungsleiter Handel bei der Radeberger Gruppe. Überdurchschnittliche Menschenkenntnis, ein gefestigter Charakter und große Kontaktfreude zeichneten heute einen guten Handelsaußendienst-Mitarbeiteraus.
Solide Datengrundlage als Basis
Für die Brauereien stehen bei der Tätigkeit im Handel der Aufbau und die Pflege langfristiger Kundenbeziehungen im Fokus. Dabei ist heute ein wichtiger Bestandteil der Arbeit eine solide Datengrundlage. „Die Taktung der Kundenbesuche orientiert sich hierbei stark an den Potenzialen der jeweiligen Outlets und hat sich über veränderte Anforderungen und Aufgaben tendenziell erhöht“, sagt Hendrik Kuhn, Krombacher-Vertriebsdirektor Handel. Außerdem habe sich auch die Rolle des Key-Account-Managements weiterentwickelt. „Unterstützt werden die Kolleginnen und Kollegen bei ihren Besuchen durch systemische Anbindungen, die es ihnen erlauben, schnell und aktiv zu agieren sowie gegebenenfalls auch zu reagieren“, erklärt Kuhn.
Wie wichtig und elementar die gute Zusammenarbeit zwischen dem Außendienst und seinen Handelspartnern ist, hätten alle während der Corona-Pandemie gesehen, so Thomas Kröffges, Vertriebsdirektor Handel Bitburger Braugruppe. „Trotz der starken Einschränkungen war unser Außendienst, mit Ausnahme von vier Wochen im März 2020, jeden Tag zur Unterstützung unserer Partner im Einsatz.“ Dass sich die Anforderungen und Herausforderungen für den Außendienst deutlich erhöht haben, liege auf der Hand. „In einem immer größeren Verdrängungswettbewerb wie im Biermarkt müssen die jeweiligen Außendienst-Mitarbeiter erheblich mehr Organisationstalent, aber auch ein stärkeres Durchsetzungsvermögen mitbringen“, sagt Kröffges.
Verdrängungswettbewerb hat das Geschäft verändert
Tatsache ist: Der Außendienst sichert heute nicht nur die Verfügbarkeit der Produkte am POS, er unterstützt auch aktiv Verkaufsförderungen und sorgt damit gemeinsam mit dem Handel für wichtige Impulse für einen erfolgreichen Abverkauf. Auch beim Launch der Neuprodukte spielt der Außendienst in Zeiten begrenzter und teurer Regalplätze eine große Rolle. Bei immer mehr Artikeln und damit insgesamt weniger verfügbarer Fläche hat der Verdrängungswettbewerb enorm zugenommen – „ein entscheidender Faktor, gerade wenn man so wie die Bitburger Braugruppe nicht nur eine Monomarke, sondern ein komplettes Produktportfolio mit einem großen Sortensortiment deutschlandweit vertreibt“, so Kröffges.
Nicht nur die Handelslandschaft hat sich aufgrund des immer stärker werdenden Verdrängungswettbewerbs enorm verändert, auch das Gastronomiegeschäft ist mit dem von vor 40 Jahren nicht mehr vergleichbar: In den 80er Jahren waren Konditionen oft das bestimmende Thema zwischen Gastronomen und Brauereimitarbeitern. Die Interessen von Außendienst und Wirten verliefen oftmals konträr, was häufig zu einem angespannten Verhältnis geführt hat.
Ergebnisorientierte Gespräche
„Während früher Gespräche auch einfach nur zur Kontaktpflege und zum Plaudern genutzt wurden, ist die Beziehung heute auf beiden Seiten professioneller und vor allem ergebnisorientierter geworden“, erklärt Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel. „Der Außendienstler ist in der heutigen Zeit lange kein ,Erfüllungsgehilfe‘ mehr, sondern ein eigenständiger Unternehmer für sein Gebiet.“ Generell habe sich die Beziehung zu einem vertrauensvollen Miteinander entwickelt. Dauerhafte, stabile sowie verlässliche Kundenbeziehungen seien ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, so Maisel.
Für Frank Bleckmann, Hauptabteilungsleiter Gastronomie der Radeberger Gruppe, ist beim Außendienst neben Empathie auch große Verkaufskompetenz und Durchsetzungsfähigkeit gefragt. Hinzu kommen Verständnis für das jeweilige Gastronomiegeschäft des Kunden sowie – mit Blick auf die Kundenbetreuungszeiten – eine Begeisterungsfähigkeit für das Außer-Haus-Geschäft. „Ein Gastronomieleiter zeichnet sich durch Freude an der Kommunikation, großes Expertenwissen, analytisches Denken, gepaart mit messerscharfem strategischem Kompass, aus – und bringt das nötige betriebswirtschaftliche Verständnis für fundierte Investitions- und Finanzierungsberatungen mit“, so Bleckmann.
Mitarbeiter müssen geschult werden
„Gemessen an der Vielzahl der Aufgaben und Herausforderungen, der sich die gesamte Branche gegenübersieht, kommt dem persönlichen und direkten Austausch zwischen dem Hersteller und seinen Partnern in der Gastronomie eine immer größere Bedeutung zu“, sagt Rainer Noll, Direktor Außer-Haus-Markt der Bitburger Braugruppe. Ob es sich um Pacht- oder Eigenbetriebe der Unternehmensgruppe oder komplett unabhängige Gastropartner handele, spiele für das Engagement, die Kundenansprache sowie die Intensität der Betreuung keine Rolle, erklärt Noll. Voraussetzung für eine zielgerichtete und erfolgreiche Arbeit mit den Kunden sei ein kompetenter, qualifizierter und auch hochmotivierter Innen- wie Außendienst. Deshalb seien aktuelle Schulungen sowie die ständige Weiterbildung der Mitarbeiter in diesen Bereichen ein absolutes Muss, so Noll.
Fest steht: Die große Bandbreite der gastronomischen Betriebstypen erfordert heute innerhalb der Vertriebsmannschaft spezifisches Wissen für systemtypische Fragestellungen. Kleinere Brauereien wie beispielsweise die Alpirsbacher Klosterbräu ziehen bei spezifischen Fragestellungen Experten hinzu. „Hierzu haben wir einen kompetenten Kreis an Personen, die kompetent die jeweiligen Fragestellungen in Zusammenarbeit mit dem Außendienst beantworten können“, sagt Carl Glauner, geschäftsführender Gesellschafter. Hinzu kommt in kleineren Betrieben die meist sehr flache Hierarchie, die dafür sorgt, dass der Außendienst vor Ort entscheiden kann. So auch in Alpirsbach, wo nur in besonderen Fällen die Geschäftsleitung involviert werde, bestätigt Glauner.
Begegnung auf Augenhöhe
Beim Vergleich mit der Situation von vor 40 Jahren wird schnell klar: Gestern wie heute geht es um Kontinuität in der vertrieblichen Zusammenarbeit. Der Außendienst begleitet einen Gastronomiepartner idealerweise über lange Zeit und kennt damit auch sein Geschäfts- und Gästeumfeld sehr genau. Die Kraft des Außendienstes beruht mehr denn je auf der Motivation, in der Gastronomie etwas bewegen zu wollen. Hinzu kommt die Qualifikation, um dem Gastronomiepartner weit über das Produktsortiment hinaus beraten zu können.
„Die Begegnung auf Augenhöhe ist das, was zählt. Partnerschaft will gelebt und erlebt werden – das weiß ein Gastronom zu schätzen“, sagt Dr. Volker Kuhl, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb der Brauerei Veltins. „Ein Mann, ein Wort – das gilt! Einer Entscheidung und Zusage muss eine schnelle Reaktion erfolgen“, so Kuhl. Jeder Veltins-Gebietsverkaufsleiter habe dafür heute einen verlässlichen Entscheidungsrahmen. Die Marke und deren Investitionskraft spiele eine wesentlich stärkere Rolle als früher. „Nur wenige Brauereien sind heute in der Lage, den finanziellen Forderungen aus der Gastronomie entsprechen zu können. Und es sind vor allem die nicht inflationären Pils-Marken wie Veltins, die ein weitsichtiger, qualitätsbewusster Gastronom wählt“, so Kuhl.
Manuel Schulz, Krombacher-Vertriebsdirektor Gastronomie, ergänzt: „Grundlage für die erfolgreiche Akquise und Betreuung bleibt aber weiterhin ein hohes empathisches Verständnis für sowie ein regelmäßiger und enger Kontakt mit den Kunden.“ Eine enge Vernetzung in der jeweiligen Region zu den wesentlichen Entscheidern in Gastronomie und auch Fachgroßhandel sei notwendig.
Echte „Typen“ sind gefragt
Dies bestätigt auch Getränkefachgroßhändler Karl-Heinz „Charly“ Finkbeiner: „Hersteller, egal ob AfG, Bier, Spirituosen oder Wein, verkaufen ihre Produkte bei weitem besser und konstanter, wenn ein persönlicher langjähriger Ansprechpartner sowie ein funktionierender Außendienst im POS vorhanden sind.“ Großkonzerne, bei denen ständig die Ansprechpartner wechselten und die POS-Betreuung weniger werde, würden dies zeitverzögert an sinkenden Absätzen merken. Diese versuchten sie dann durch Angebote beim Discounter und im LEH auszugleichen. Bei Großkonzernen werde nur noch in Jahresetappen gedacht, „nicht, wo steht die Marke in fünf oder zehn Jahren“, sagt Finkbeiner.
Damals wie heute seien in der Gastronomie im Außendienst „Typen“ gefragt, die gute Benimmregeln beherrschen und den geschäftlichen Hintergrund nie vernachlässigen“, fasst Getränkefachgroßhändler Matthias Heurich zusammen. Im Unterschied zu vor 40 Jahren seien heute jedoch Themen wie Plattformen, Digitalisierung, Aktualität des Sortimentes, Lieferflexibilität, Abrechnungsmodifikationen und die betriebswirtschaftliche Unterstützung der Betriebsdaten wichtig. „Diese Themen geben heute eine andere Wertigkeit in die Gespräche, da alle Daten messbar und somit vergleichbar sind“, sagt Heurich. Das Glas Bier zu viel mit dem Kunden erfahre heute im Gegensatz zu früher keine Wertschätzung mehr. Heute stünden Leistungsdaten und Performance im Fokus. „Das persönliche Netzwerk hingegen hat immer noch die größte Bedeutung“, so Heurich.