Binding-Demo vor Oetker-Zentrale
Lauter Protest vor der Oetker-Zentrale im ostwestfälischen Bielefeld: Rund 250 Frankfurter waren am Wochenende an den Konzernstandort gereist, um ihrem Protest über die Schließung der Binding-Produktion in Frankfurt lautstark Ausdruck zu geben. Unter gewerkschaftlicher Führung wurde erneut deutlich, dass die Belegschaft die angekündigte Schließung des Traditionsstandortes am Sachsenhäuser Berg nicht widerstandslos hinnehmen will. Guido Mockel, Sprecher der Geschäftsführung der Radeberger Gruppe, und seinem weiteren Führungstrio war es in der Main-Metropole vorher nicht gelungen, die unverändert hochschäumende Stimmung zu besänftigen. So schwappte der Widerstand nun nach Ostwestfalen über.
Entscheidungen wurden in Frankfurt gefällt
Signale eines Einlenkens der Oetker-Biersparte hatten die Mitarbeiter der Binding-Brauerei in den letzten Monaten vergeblich gesucht. „Wir fordern die Radeberger Gruppe und damit auch Dr. Oetker auf, die Schließungspläne endlich vom Tisch zu nehmen. Frankfurt ohne Frankfurter Bier ist nicht denkbar“, hatte es Uwe Hildebrandt, Südwest Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) deutlich gemacht. Somit geschah das, was man in der Bielefelder Zentrale der Biersparte am liebsten vermieden hätte: Der Aufmarsch fand eben dort statt, wo die Familiengesellschafter die Entscheidungen über die Fortentwicklung ihres Konzerns fällen.
Genau dort sitzt Dr. Albert Christmann, persönlich haftender Gesellschafter der Dr. August Oetker KG und kenntnisreicher Verantwortlicher der Biersparte, genauso wie Dr. Niels Lorenz, der von 2013 bis 2020 Sprecher der Radeberger Geschäftsführung war, und die Unternehmensgeschicke als Beiratsmitglied lenkt. Irritiert zeigten sich die Demonstranten über die Unternehmensbegründung, den Protest in Bielefeld am falschen Ort adressiert zu haben, weil die Entscheidungen letztlich in der Frankfurter Zentrale gefällt wurden.
Stadtpolitik tendiert gegen Umwidmung der Gewerbenutzung
In der Frankfurter Kommunalpolitik hat es in den letzten Monat laute Diskussionen darüber gegeben, auf welche Weise es gelingen könne, den so traditionsreichen Standort der ehemaligen Binding Brauerei zu retten. Vor Augen hatte man stets das Schicksal der Henninger Brauerei, die einst ebenfalls geschlossen und dessen Grundstück verwertet worden war. Vor allem der Verkauf des Henninger-Grundstücks mit einer Umwidmung der Fläche für anschließende Wohnbebauung würde der Oetker-Biersparte millionenschwere Zuflüsse bescheren. Dem wollen weite Kreise der Frankfurter Stadtpolitiker, einen Riegel vorschieben. Zwischenzeitliche Vorschläge eines auf Nachhaltigkeit ausgelegten Braubetriebes bei gleichzeitiger Marketingforcierung blieben bislang unkommentiert im Raum stehen.
Sinneswandel scheint ausgeschlossen
In der Bauwirtschaft glaubt indessen niemand daran, dass es in Oetkers Biersparte im Verlauf des Jahres doch noch einen Sinneswandel geben könnte. Eine Sprecherin hatte im Herbst 2022 gegenüber dem hessischen Rundfunk deutlich gemacht, dass angesichts erheblicher Ausstoßeinbrüche ein wirtschaftlicher Betrieb keinen Sinn machen würde. Fraglich bleibt, ob die Zusicherung der Radeberger Gruppe, die Verwaltung der Biersparte in Frankfurt zu belassen, langfristig Bestand haben kann. Denn auch die bisherigen Heimatmarken Frankfurts sollen nach der Schließung bei Tucher in Nürnberg gebraut werden – konzerninterne Standortverschiebungen liegen also bereits auf dem Tisch.
Dass es Oetker mit seinen Schließungsabsichten stets ernst gemeint hat, hat der Nahrungsmittel-Konzern bereits im Jahr 2005 bewiesen. Damals wurden innerhalb eines Jahres die Brinkhoff-Brauerei Dortmund-Lütgendortmund und die Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln geschlossen.