Mit einer erneuten Preiserhöhung in diesem Jahr reagieren AB Inbev Deutschland, Heineken Deutschland und die Radeberger Gruppe als erste Großbrauer auf die enorm gestiegenen Kosten. Zum 1. Dezember werden die Biere von Heineken und Radeberger abermals teurer. AB Inbev hat bereits zum 1. September die Fassbierpreise für Beck’s deutlich erhöht (wir berichteten).
Es dürfte der Auftakt einer weiteren Preiserhöhungsrunde der deutschen Brauwirtschaft sein. Branchenkenner sind davon überzeugt, dass auch die anderen großen Brauer ihre Abgabepreise erhöhen müssen. Erfahrungsgemäß trauen sich dann auch die regionalen Brauer von Kölsch, Weißbier und Hellem aus der Deckung und ziehen auf breiter Front nach. Damit würde Bier bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres flächendeckend teurer. Es wäre ein einmaliger Vorgang: Seit Jahrzehnten wurden die Bierpreise bundesweit nämlich nur alle drei bis fünf Jahre erhöht.
Der Kasten wird ein bis zwei Euro teurer
Auch für den Getränkefachgroßhandel ist die Situation längst angespannt, sodass auch dort die Preise für die Logistik erhöht werden müssen. Addiert man den notwendigen Aufschlag des Getränkefachgroßhandels zu der Preiserhöhung der Brauer, dürfte der Kasten Bier im Handel, je nach Marke und Sorte, zwischen einem und zwei Euro teurer werden. In der Gastronomie werden die Gäste wohl erneut je nach Glasgröße und Biersorte bis zu 50 Cent mehr für ihr Bier zahlen müssen.
Für Jörg Lehmann, CEO der Paulaner Gruppe und Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, kommt die Preiserhöhung angesichts der jüngsten Entwicklung nicht überraschend: „Wenn man sieht, dass wir bereits seit Beginn der Corona-Krise bei Rohstoffen, Verpackungen, Energie und Logistik nie gekannte Preiserhöhungen haben und jetzt die Kosten für Gas und Strom erneut durch die Decke schießen, dann ist wenig überraschend, wenn derart drastische Kostensteigerungen irgendwann auch auf den Bierpreis umgelegt werden“, so Lehmann vor Kurzem in einem Interview mit Getränke News. Keine Frage: Die Brau- und Getränkewirtschaft bewegt sich trotz erwartbarer Abschwächung der Pandemiefolgen weiterhin in der schwierigsten Marktphase aller Nachkriegsjahrzehnte.
Die Kostenbelastungen sind zu hoch
Die Frage lautet: Ist angesichts der aktuellen Verbraucherstimmung jetzt der richtige Zeitpunkt, die Bierpreise zu erhöhen? „Für eine Preisanpassung gibt es wohl nie den richtigen Zeitpunkt“, sagt Radeberger-Sprecherin Birte Kleppien. „Seit der letzten Preisanpassung sind die Kosten für die Produktion und die Vermarktung noch einmal ganz erheblich gestiegen. Das haben wir viele Monate ohne Ausgleich getragen. Jetzt ist aber der Punkt gekommen, an dem wir die gestiegenen Kosten zumindest teilweise weitergeben müssen.“ Unternehmerisch sei bereits alles getan worden, um die neuerlichen Kostenbelastungen durch interne Maßnahmen abzufedern, erklärt die Sprecherin.
Fest steht: Die Bierpreiserhöhung vom Frühjahr war nicht hoch genug, um den Kostenschub der letzten Wochen aufzufangen. Sie basierte nämlich auf den Basisdaten der letztjährigen Kostenentwicklung, die für die deutsche Brauwirtschaft damals schon dramatisch ausfiel. Doch mit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind sowohl die Energiekosten als auch die Kosten bei den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen rasant gestiegen. Allein der Malzpreis erlebte von Januar bis Juli 2021 einen Anstieg von rund 200 auf 370 Euro pro Tonne – jetzt sind teilweise über 800 Euro fällig. Wann sich die Situation wieder beruhigt, ist nicht absehbar. Ganz gleich, ob kleine oder große Brauer: Sie alle müssen Strategien entwickeln, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe zu erhalten.
Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Brauerei Veltins, bringt es auf den Punkt: „Noch nie war das Bierbrauen in Deutschland so teuer wie heute! Die gleichzeitig enorm gestiegenen Kosten in allen Bereichen waren nicht planbar, das hat es so noch nie gegeben“, sagt Huber. Er sieht in erster Linie die Energiepreise als weitreichenden Kostentreiber.
Für ihn steht fest, dass die meisten Brauereien nicht nur erheblich an Umsatz, sondern vor allem an Ertragskraft eingebüßt haben. Seiner Einschätzung nach dürfte bei vielen Anbietern die Eigenkapitalquote im erheblichen Maße gelitten haben. „Wer sieht, dass wir in den ersten beiden Pandemiejahren im Jahresausstoß bis heute gut sieben Millionen Hektoliter im Vergleich zu 2019 verloren haben, der weiß auch, welchen Marktdruck die neuen Überkapazitäten entwickeln werden. Die Wettbewerbsintensität wird größer denn je.“
Gastronomie leidet unter steigenden Preisen
Auch das Gastgewerbe leidet besonders stark unter den rasant steigenden Energiepreisen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) hervor (wir berichteten). „Der Kostendruck im Gastgewerbe nimmt weiter zu“, sagt Dehoga-Präsident Guido Zöllick. Dabei sei zu beachten, dass rund 40 Prozent der Betriebe noch keine Information ihres Energieanbieters erhalten hätten.Hinzu komme, dass der Umsatz der Branche weiter unter Vorkrisenniveau liege. „Die Sorgen und existenziellen Nöte in der Branche wachsen“, so Zöllick. Laut der Umfrage schätzen 37,7 Prozent der Unternehmer die Kostenentwicklung im Bereich Energie als „existenzbedrohend“ ein.
Nun könnten die abermals steigenden Bierpreise dazu führen, dass das Gastronomiegeschäft und damit die gesamte Getränkebranche weiter leidet. Doch eins ist klar: Die Brauereien werden ihre Gastronomen nicht im Stich lassen. Dazu ist dieser Vertriebskanal definitiv zu wichtig. Birte Kleppien: „Wir gehen die Preiserhöhung in guter Partnerschaft an, investieren weiter in unsere Marken, damit sie den Gastronomen attraktive Umsätze einbringen, und unterstützen diese im laufenden wie auch im kommenden, sicher wieder fordernden Jahr, mit Maßnahmen und Vermarktungsleistungen“, so die Radeberger-Sprecherin.
Braubranche droht Pleitewelle
Die Verbraucherstimmung ist durch zwei Jahre Pandemie und die seit Monaten deutlich spürbaren Preissteigerungen im Keller. Die Preise in der Gastronomie sind bereits enorm gestiegen, weil auch die Wirte ihre höheren Einkaufs-, Personal und Energiepreise an die Gäste weitergeben müssen. Die Folge: Die Leute gehen weniger in die Gastronomie. Das macht sich auch am Bierabsatz bemerkbar, der im ersten Halbjahr 2022 noch weit vom Vorkrisen-Niveau entfernt war.
„Eine Erholung des Marktes im zweiten Halbjahr ist angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen die Branche steht, nicht zu erwarten“, sagt Holger Eichele, Hautgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Sorgen bereitet den Brauern vor allem die Energiekrise: „Die gesamte Branche beschäftigt die tiefe Sorge vor einem Blackout. Ohne Gas bleiben die Regale leer“, so Eichele. Schon heute stehe fest: Die massiv steigenden Kosten als Folge des Krieges gegen die Ukraine werden in der Brauwirtschaft tiefe Spuren hinterlassen. „Immer mehr mittelständische Betriebe gehen in die Knie, Lieferketten stehen vor dem Kollaps.“
Auch Veltins-Chef Michael Huber ist überzeugt: „Auf die strukturell höchst unterschiedlich aufgestellten Unternehmen der deutschen Brauwirtschaft kommen schwierige Jahre zu. Nach dem inzwischen geordneten Krisenmanagement dieser Monate folgen harte Jahre der Konsolidierung, in denen es für viele um die Existenzfrage geht. Viele Brauereien werden an die Grenzen ihrer Wirtschaftlichkeit geführt.“
Tatsache ist: Wer seine Preise nicht rechtzeitig anpasst, steht auf der Ertragsseite noch massiver unter Druck als die Wettbewerber. Hört man sich bei den Brauern um, so herrscht unisono die Meinung, dass in den nächsten Jahren eine in Deutschland so noch nie dagewesene Konzentration der Braubranche stattfinden wird. Ein Branchenkenner bringt es auf den Punkt: „Viele Brauer sind bereits pleite, wissen es nur noch nicht.“