Bierpreise könnten weiter steigen
Wird in diesem Jahr noch eine zweite Bierpreiserhöhung notwendig? Diese Frage drängt sich auf die Tagesordnung der deutschen Brauwirtschaft, nachdem am Wochenende erste Regionalbrauer aus der Reserve gekommen sind und eine unhaltbare Kostensituation ihrer Unternehmen beklagten. Die laufende Bierpreiserhöhung, so die Feststellung, sei nicht auskömmlich genug, um den Kostenschub der letzten Wochen aufzufangen. „Die nächste Preiserhöhung wäre entweder schon im Herbst oder im Frühjahr 2023“, sagte der Geschäftsführer Richard Hopf von Lang-Bräu aus Wunsiedel der „Frankenpost“.
Und Andreas Nothhaft von der gleichnamigen Brauerei aus Marktredwitz springt ihm bei: „Leider deckt unsere Preiserhöhung im vergangenen Herbst die anfallenden Kosten jetzt schon nicht mehr. Es bleibt weniger übrig als vor der Preiserhöhung.“ Er spricht von einem Energiezuschlag pro Tonne Glas von 115 Euro. Bei Kronkorken würden 56 Prozent, bei den 5-Liter-Partydosen 60 Prozent mehr fällig. Alles keine Einzelfälle. „Da in so vielen Teilbereichen die einzelnen Kostenfaktoren derzeit nur den Weg nach oben kennen, setzt das die fränkischen Brauereien massiv unter Druck“, urteilt der Präsident der Privaten Brauereien in Bayern, Georg Rittmayer aus Hallerndorf, in den „Nürnberger Nachrichten“. Kleine und große Brauer geraten immer mehr die Bredouille.
Malzpreis: über 600 Euro pro Tonne
Tatsächlich basiert die jetzt anlaufende Preiserhöhung mit ihrer Ankündigung im Spätherbst 2021 auf den Basisdaten der letztjährigen Kostenentwicklung, die für die deutsche Brauwirtschaft schon dramatisch ausfiel. Mit Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine hat sich die Situation weiter verschärft: Die Kosten bei den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen stiegen rasant an.
Die großen Brauer lassen noch nichts verlauten, es wäre auch zu früh. Sie sind in diesen Wochen dabei, die nationale Preiserhöhungsrunde im Handel durchzusetzen – für die Vertriebsorganisationen mit ihren Gesprächspartnern im Handel ein Kraftakt. Doch schon jetzt tauchen in der Brauwirtschaft ernsthafte Zweifel auf, ob der Preissprung von rund sieben Euro pro Hektoliter ausreicht, um die jüngst erneut hochschnellenden Kosten aufzufangen.
Allein der Malzpreis erlebte von Januar bis Juli 2021 einen Anstieg von rund 200 auf 370 Euro pro Tonne – jetzt sind über 600 Euro fällig. Nach Aussage der Sozietät der Norddeutschen Brauereiverbände werden auf dem Spotmarkt gegenwärtig Tonnenpreise von 640 bis 650 Euro aufgerufen. Agrarexperten gehen für 2022 zwar von einer erweiterten Anbaufläche für Braugerste aus, weil das Preisniveau für die Landwirtschaft durchaus attraktiv sei. Doch die Erntequalität bleibt unwägbar.
Die Einkäufer der Brauereien sind in diesen Wochen so gefordert wie selten zuvor. Denn nahezu überall müssen auf der Beschaffungsseite die Budgets angepasst werden. Und das auch für die Bereitstellung von Neuglas, Dosen, Kronkorken, aber auch Etiketten. Dazu noch galoppierende Energie-, Strom- und Logistikkosten. Wann sich die Kostenspirale auf ihrem Weg nach oben wieder beruhigt, ist nicht absehbar. Ganz gleich, ob kleine oder große Brauer: Sie alle müssen für 2022 Strategien entwickeln, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe zu erhalten. Womöglich wird eine weitere Preisrunde alsbald unabdingbar, um dem Kostentempo zu begegnen. Die Frage lautet: Wann?
Nach Ostern sind Preise angehoben
In der Vergangenheit war es immer so, dass es die großen taktgebenden Brauereien wie Krombacher, Bitburger, Veltins oder Radeberger waren, die mit ihren offiziellen Ankündigungen entscheidende Marktsignale gesendet haben. Verständlich, dass aus Zentralen der Top-Brauer noch nichts nach außen dringt, weil dort mit Augenmaß die Kostenentwicklung beobachtet wird. Lediglich Bitburger-Chef Axel Dahm hat bereits laut darüber nachgedacht, wie man mit der Kostenlawine umzugehen habe, ohne Kompromisse bei der Qualität zu machen. Er räumte ein, dass man die Preisentwicklung ebenso intensiv beobachte wie „sicher auch die Wettbewerber“.
Mit dem Vorpreschen kleinerer Brauereien, die in den letzten beiden Pandemiejahren ohnehin durch Fassbierverluste kräftig geschunden waren, dürften die nächsten Monate in allen Unternehmen der intensiven Kostenentwicklung gewidmet sein. Im Handel wandern die Preisbänder der unterschiedlichen Sorten- und Preissegmente nach Ostern, spätestens aber im Mai, um einen Euro nach oben. Mit dabei sind alle renommierten und absatzstarken Marken der deutschen Brauwirtschaft. Bislang waren nur markenschwächere Anbieter wie die beiden ehemaligen Marktführer König – inzwischen unter Bitburger-Dach – und Warsteiner ausgeschert. Ihr Motto: Menge vor Ertrag. Sie verzichten in diesem Frühjahr auf eine Preiserhöhung beim Flaschenbier. Allerdings zum Preis deutlich sinkender Wertschöpfung.
Tatsache ist: Wer seine Preise nicht rechtzeitig anpasst, steht nun auf der Ertragsseite noch massiver unter Druck als die Wettbewerber. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch Warsteiner und König nachziehen müssen. Die regionalen Brauer hoffen indes inständig auf ein Anziehen des Eventgeschäfts, um ihr margenreiches Fassbiergeschäft nach zweijähriger Pause wieder in gewohnter Weise aufnehmen zu können. Für sie steht und fällt die Renditekraft ihres Betriebes mit dem Erfolg des Gastronomie-Engagements in Lokalen, Biergärten und bei Veranstaltungen.
Keine Entlastung durch abschwächende Pandemiefolgen
Wie geht es in der Brauwirtschaft 2022 weiter? Tatsächlich werden die Unternehmen alles versuchen, um eine erneute Preisrunde im Fassbier- und Flaschenbiergeschäft vorerst zu vermeiden. Gerade das Traditionsgeschäft der Gastronomie hätte aufgrund der großen strukturellen Verwerfungen der letzten zwei Jahre dann besonders zu leiden. Schon deshalb dürfte das Wirksamwerden einer erneuten Preiserhöhung bereits in diesem Jahr eher unwahrscheinlich sein. Noch wird auf Sicht gefahren. Gleichwohl könnte im Herbst – und damit in Jahresfrist – bereits eine erneute Ankündigung für das Frühjahr 2023 folgen.
Längst ist auch für den Getränkefachgroßhandel die Situation angespannt, sodass eine Preiserhöhung auch dort eine hilfreiche Gelegenheit bieten könnte, den Kostendruck aus dem eigenen Kessel zu lassen. Inzwischen müssen vielerorts schon Treibstoffaufschläge weitergereicht werden. Keine Frage, die Brau- und Getränkewirtschaft bewegt sich trotz erwartbarer Abschwächung der Pandemiefolgen weiterhin in der schwierigsten Marktphase aller Nachkriegsjahrzehnte.