Das Mammut-Kartellverfahren gegen Carlsberg Deutschland und seinen früheren Geschäftsführer, den einstigen Brauerpräsidenten Wolfgang Burgard, muss nach vielen Verhandlungstagen wieder von vorne beginnen. Der Grund: eine mehrmonatige Erkrankung eines Senatsmitglieds. Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf heute mitteilt, erlauben die strafprozessualen Regeln es nicht, die bisherige Hauptverhandlung fortzusetzen. Es sei daher erforderlich, auch die Beweisaufnahme zu wiederholen. Der Vorsitzende Richter am Oberlandgericht Prof. Dr. Ulrich Egger hat den Neubeginn der Verhandlung auf 19. Mai 2022 bestimmt. Danach sind weitere 21 Verhandlungstermine angesetzt. Die bisherige Hauptverhandlung, die am 27. August 2021 begann und bei der auch Richter Ulrich Egger den Vorsitz hatte, war auf 33 Verhandlungstage angesetzt.
Möller-Hergt und Schadeberg wieder im Zeugenstand
Bei der nun neu beginnenden Hauptverhandlung geht es unverändert um den Vorwurf eines preisabstimmenden Marktverhaltens mehrerer Großbrauereien. An den zunächst 21 Verhandlungstagen wird erneut das Who’s who der deutschen Brauwirtschaft als Zeugen erscheinen, um die längst in Vergessenheit geratenen Vorgänge aus den Jahren 2006 und 2007 aus dem Gedächtnis hervorzukramen. Bereits im Oktober 2021 standen der frühere Warsteiner-Generalbevollmächtigte Gustavo Möller-Hergt und Krombacher-Inhaber Bernhard Schadeberg im Zeugenstand und plauderten aus dem Nähkästchen (wir berichteten). Belastendes zur Carlsberg-Gruppe gab es damals nicht. Schon bald dürfen beide wieder als Zeugen vor Gericht.
Verantwortlich für das gesamte Verfahren war die Deutschlandtochter von AB Inbev, die als Kronzeuge ganze Aktenbände der Bonner Kartellbehörde zur Verfügung stellte und damit das langwierige Ermittlungsverfahren ins Rollen gebracht hatte.
AB Inbev belastete sämtliche Hauptwettbewerber und ging als Kronzeuge bußgeldfrei aus, während die mittelständischen Brauer mit Bußgeldern von über 300 Millionen Euro belegt und geschwächt wurden. Carlsberg hatte sich in erster Instanz von einer Bußgeldzahlung von 62 Millionen Euro befreien können, weil der vierte Kartellsenat eine Verjährung der Vorwürfe gesehen hatte. Der BGH hatte das Urteil kassiert und die Verhandlung vor einer neuen Kammer notwendig gemacht.
Nach 15 Jahren widersprüchliche Erinnerungen
Während des damaligen Verfahrens wurde in der Branche und insbesondere von Verfahrensbeteiligten streckenweise von einer „Farce“ gesprochen. Denn bereits beim ersten Düsseldorfer OLG-Verfahren vor der vierten Kartellkammer unter Vorsitz von Martin Winterscheidt konnten Prozessbeobachter erleben, wie schwierig es war, eine zentrale Begegnung großer Brauereien am Rande der Internorga zu rekonstruieren. Aussagen widersprachen sich, einige Zeugen vermochten sich nicht einmal an die Sitzordnung zu erinnern. Über weite Strecken blieb offen, wie konkret die Preisabsprachen überhaupt stattgefunden hatten.
Das Bundeskartellamt hatte schon 2013 und 2014 gegen elf der am Verfahren beteiligten Unternehmen, darunter auch Bitburger, Krombacher, Veltins, Warsteiner und 14 Führungspersönlichkeiten, Geldbußen in Höhe von rund 338 Millionen Euro ausgesprochen. Der größte Anteil von 222 Millionen Euro sollten Oetkers Brausparte (Radeberger Gruppe) und Carlsberg Deutschland schultern. Während die letzteren beiden Einspruch einlegten, gab die Radeberger Gruppe kurz vor dem damaligen Verfahren ihren Widerstand auf, zahlte das Bußgeld von rund 160 Millionen Euro bereitwillig und ersparte sich womöglich fürs Ansehen schädliches Verfahren mit Dutzenden Gerichtsauftritten.
Anders die Carlsberg-Gruppe mit ihrem früheren Vorstand Wolfgang Burgard, auf die jetzt wieder ein zeitlich anspruchsvolles Verfahren wartet. Allein die erneuten Anwaltskosten dürften im hohen sechsstelligen Bereich liegen. Wieder im Feuer: 62 Millionen Euro Bußgeld!