Mit vier innovativen Sorten steigt die Rügener Insel Brauerei in das Segment der alkoholfreien Biere ein (wir berichteten). Anlässlich der Neueinführung sprach Getränke News mit Brauereigründer Markus Berberich über die Entwicklung der Craftbier-Szene und die Chancen im deutschen Biermarkt.
Getränke News: Aktuell bringt die Insel Brauerei vier neue alkoholfreie Biere auf den Markt. Warum gleich vier?
Berberich: Wir geben damit ein klares Bekenntnis zu alkoholfreien Bieren ab! Vielfalt erzeugt Interesse. Es wird über Geschmack gesprochen und philosophiert. Das tut der Kategorie gut und wir können gute POS-Lösungen anbieten.
Getränke News: Was ist daran so besonders?
Berberich: Wir haben eine neue Braumethode entwickelt. Mit Naturdoldenhopfen, der Frische-Destillation unter 35 Grad Celsius, mit sortenreiner, unfiltrierter Kohlensäure und in Flaschenreifung entstehen Biere, bei denen man den Alkohol nicht vermisst. Besonders ist natürlich auch unsere Herkunft von der Insel Rügen mit unserem besonderen Auftritt.
Getränke News: Der deutsche Markt für Craftbiere konsolidiert sich. Ist der große Boom vorbei? Wo steht die Craftbier-Szene heute?
Berberich: Das sind ja immer Definitionsfragen: Wo fängt das Craftbier an, wo hört es auf? Wir betrachten uns selbst als eigenständige Kategorie: seltene Biere mit viel Genuss.
Unsere alkoholfreien Biere sehen wir sogar davon völlig losgelöst im Segment der alkoholfreien Biere. Wir haben hier einen generischen Nutzen. Das alkoholfreie Bier, das am meisten nach Bier mit Alkohol schmeckt, das ist weder Craftbier noch Spezialität.
Der Biermarkt diversifiziert sich weiter. Selbst die nationalen Großbrauereien fangen mit Spezialitäten an, und daran haben die Biersommeliers und die Craftbrauer einen hohen Anteil. Der Verbraucher wird sich immer mehr für Bier in der Tiefe interessieren, und die Diversifizierung auch mit Craftbier wird weitergehen und in Wellen ablaufen.
Fakt ist: Craftbier ist noch in keinem Markt der Welt wieder verschwunden. Die Wertschöpfung kann interessant sein, wenn man die viel zu teure und ineffiziente Logistik in den Griff bekommt. Die Erfolgsfaktoren für eine Craftbrauerei sind im Grunde die gleichen wie für eine konventionelle Brauerei, nur mit einer anderen Tonalität. Es bedarf aber wirklich einer sehr hohen Glaubwürdigkeit, das wird oft übersehen.
Getränke News: Was raten Sie den jungen Kollegen?
Berberich: Ich glaube, das hat gar nichts mit Alt und Jung zu tun. Es ist gut, sich die Erfolgsfaktoren wirklich genau anzusehen und sich dann ehrlich einzugestehen, was ich davon leisten kann und was nicht.
Der Sprung zu einer eigenen Brauerei ist sehr groß und bindet viel Ressourcen. Fehler sind hier sehr teuer und verbrauchen viel wertvolle Zeit.
Getränke News: Was sollte der Handel anders machen?
Berberich: Hochwertige teure Biere werden weniger von Vorratskäufern, viel mehr von den Impuls- oder Genusskäufern konsumiert. Der Einzelhandel stellt unsere Biere leider viel zu oft in die Kisten-Getränkeabteilung. Da sind aber nicht unsere Konsumenten. Wir müssen auf die frequentierte Fläche in die Nähe des Weines und brauchen eine Verkaufsatmosphäre wie bei Wein oder Spirituosen. Am besten mit Beschreibung der Biere, dann läuft es auch.
Getränke News: Wurden die Verbraucher mit der neuen Vielfalt überfordert?
Berberich: Überfordert waren alle. Das begann schon bei den Brauern. Manchen fehlte die Kompetenz und sie brauten Biere mit fragwürdiger Qualität. Auch der Handel tat sich anfangs schwer: Die Einkäufer wussten nicht, was nachgefragt würde und was nicht. Gleiches gilt für die Logistiker, die teilweise mit Exklusivitätsrechten die falschen Sortimente empfohlen haben. Dort, wo den Verbrauchern der Konsum-Nutzen erklärt wird und die richtigen, vor allem glaubwürdigen, hochwertigen Sortimente angeboten werden, funktioniert es auch.
Getränke News: Wo stehen der deutsche Biermarkt und Craftbier in fünf Jahren?
Berberich: Ich glaube, egal ob Preiseinstieg, Konsumbier, Spezialität, Craftbier oder seltene Biere: Die Diversifizierung schreitet voran. Das liegt im Interesse aller Wertschöpfungsteilnehmer, von der Rohware bis zum Einzelhändler. Nur so bekommen wir die Bereitschaft, für Qualität einen höheren Preis zu zahlen. Die brauchen wir, weil der Bier- und Alkoholkonsum weiter sinken wird.
Die guten Regionalen haben, glaube ich, dabei die besten Chancen. Sie sind nah dran am Konsumenten und können ein authentisches Lebensgefühl vermitteln, was die Leute vor Ort auch suchen. Den Vorteil hat unsere Brauerei auch, weil fast jeder gerne auf der Insel Rügen ist. Wir haben das Lebensgefühl der Marke und die Differenzierung in und auf der Flasche.
Nicht zuletzt werden die Konsumenten sich in fünf Jahren besser auskennen und höhere Ansprüche stellen. Davon werden alle profitieren.
Markus Berberich
Bevor Markus Berberich 2015 seine eigene Brauerei auf Rügen eröffnete, war er 16 Jahre lang Geschäftsführer und Braumeister bei der Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund und gewann dort mit seinen Bieren viele nationale und internationale Auszeichnungen.